Kreislaufwirtschaft, Digitaler Produktpass und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks

Im Interview mit Anja Van Bocxlaer sprechen Olaf Wilmsmeier von Wilmsmeier Solutions und Stefan Hoppe von der OPC Foundation über die Rolle der Auto-ID-Industrie und der Interoperabilität in Bezug auf die Kreislaufwirtschaft, den digitalen Produktpass und die Reduzierung des CO2-Fußabdrucks.

Kreislaufwirtschaft, Digitaler Produktpass und Reduzierung des CO2-Fußabdrucks

Field Story | Interview

Wilmsmeier Solutions · 23. Oktober 2024 · 8 min
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Worum geht es

Effiziente Logistikketten oder auch der Handel, inkl. des täglichen Einkaufs sind ohne Auto-ID Technologien heute nicht mehr denkbar. Jeder von uns nutzt täglich Auto-ID Technologien, sicherlich oft, ohne darüber nachzudenken. RFID und 1D- bzw. 2D-Kennzeichnungen sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ebenso wenig NFC basierte Bezahlvorgänge.

Doch in Zukunft werden die AIDC (automatic identification and data capture) Technologien noch vielfältiger eingesetzt. Selbstverständlich leisten die Technologien deutlich mehr als nur Identifizieren. Zusätzliche Informationen können einem Objekt mitgegeben werden. Die Kombination von RFID und Sensorik ermöglicht beispielweise zudem, dass direkt der Zustand eines Objektes miterfasst wird – der Transportbehälter 4711 ist halbvoll, und hat derzeit 25°C.

Was hat dies mit dem Europäische grüne Deal zu tun? Nun, die Ideen des grünen Deals können direkt bei der Europäischen Kommission nachgelesen werden. Ein Aspekt ist ein hunderte Millionen Euro Investment-Programm auch in zukunftsweisende Digitalisierungslösungen und Prozesse. Ohne fortschreitende Automation und Digitalisierung sind viele Ziele des Europäischen grünen Deals nicht erreichbar.

Für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft, mit dem Ressourcen und Rohstoffe effizient genutzt werden sollen um insbesondere den CO2-Fußabdruck jedes Einzelnen von uns deutlich zu verringern, spielt die AIDC Technologie aber auch die Interoperabilität von verschiedenen Systemen – also der Austausch von Daten und Informationen – eine entscheidende Rolle.

Interview mit Olaf Wilmsmeier und Stefan Hoppe

Kreislaufwirtschaft | DPP | Reduzierung des CO2-Fußabdrucks

1. Warum ist die Auto-ID Technologie für die Realisierung der Kreislaufwirtschaft entscheidend?

Wilmsmeier: Getrieben durch die Initiativen der Europäischen Kommission, werden derzeit Produkte mehr und mehr mit Auto-ID Kennzeichnungen versehen. Begriffe wie „Digital Product Passport“ mit den Inhalten wie „Product Carbon Footprint“ oder im Fall der Batterie „Battery Passport“ dürfte inzwischen jedem in der Wirtschaft ein Begriff sein.

Eine eineindeutige und standardisierte Kennzeichnung von physischen Objekten macht dies erst möglich. Unternehmens- und Anwendungsübergreifend muss diese Identifizierung ermöglicht werden. Datensätze werden mit den Identitäten verknüpft werden.

2. In wieweit spielt die Verknüpfung von AutoID und Sensorik eine Rolle?

Wilmsmeier: Nun, die Identifikation von Objekten wie Produktionsgütern ist ja erst der Anfang. Damit der hiermit verknüpfte Digitale Zwilling, also ein digitales Abbild, welches alle relevanten Daten wie Zusammensetzung, Produktionsdatum und Ort aber auch entscheidende Kennwerte aus dem gesamten Lebenszyklus beinhaltet mit entsprechenden Daten automatisiert versorgt werden kann, benötigt es auch Sensorik.

Die Verknüpfung der Auto-ID Technologie mit Sensorik ist also eine konsequente Weiterentwicklung. Technisch ist dies bereits seit vielen Jahren realisierbar und wird in der Praxis auch mehr und mehr verwendet. Für alle die mehr zu diesem speziellen Thema wissen möchten verweise ich an dieser Stelle an das vom AIM-D Verband kürzlich in einer neuen Auflage veröffentlichte Whitepaper „RFID & Sensorik“.

3. Es gibt verschiedenste Identifikationstechnologien. Werden diese alle berücksichtigt?

Wilmsmeier: CEN/CENELC ist von Seiten der EU mit der Ausarbeitung von Standards für die Umsetzung des Digitalen Produktpasses beauftragt. In der JTC24 wird auch die Spezifikation des Identifier erarbeitet. Insbesondere 2D-Codes und HF RFID (NFC) stehen im Fokus, aber auch UHF RFID wird berücksichtigt.

Meiner Meinung nach, ist gerade UHF RFID für industrielle Prozesse, insbesondere bei der Realisierung von automatisierten Verwertungsprozessen entscheidend. Ob 2D-Codes nach einem jahrelangen Gebrauch von Produkten noch lesbar sind wird sich zeigen und kommt sicherlich auf das Produkt und den Einsatzzweck an.

Die NFC-Technologie ist zwar mit dem Smartphone kompatibel, was ein Vorteil ist, gerade wenn man den Endverbraucher mit produktbezogenen Informationen versorgen möchte. Allerding ist die Reichweite der Technologie, wie auch eine Pulk-Erfassung von mehreren Objekten stark limitiert. Es wird sich zeigen, ob die jetzigen angedachten technischen Vorgaben und Vorschriften sich in der Praxis, bei der Umsetzung einer effizienten Kreislaufwirtschaft bewähren.

4. Sie erwähnten den Digitalen Produkt Pass – für welche Industriezweige oder Produkte wird dieser eingeführt?

Wilmsmeier: Nun, die Idee ist dass in Zukunft eine sehr breite Masse an Produkten und Industriezweigen involviert sind. Sicherlich immer dann, wenn eine Kreislaufwirtschaft zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit beiträgt. Ganz konkret wird in 2027 der Batterie-Pass eingeführt. Hierfür sind die Vorgaben bereits konkret.

Industrielle Batterien werden dann mindestens mit einem 2D-Code gekennzeichnet werden und mit einem digitalen Zwilling verknüpft werden müssen – dem Digitalen Produktpass für Batterien. Ziel ist, Batterien in Zukunft über Ihren Lebenszyklus so effizient wie möglich zu nutzen, inklusive einer Mehrfachverwendung von Batteriezellen in unterschiedlichen Anwendungen im Laufe Ihres Lebenszyklus. Zum Schluss steht dann der eigentliche Recycling-Prozess.

Aber die Batterien sind erst der Anfang. Beispielsweise sollen die Textil- und Bauindustrie folgen. Geplant ist, dass nahezu alle Industrien und Anwendungen im Laufe der kommenden Jahre betroffen sind.

Wir dürfen auch nicht vergessen, dass parallel die Ausweisung des CO2-Fussabrducks für einzelne Produkte mehr und mehr verpflichtend wird. Nur so kann der CO2-Fussabdrucks eines Fertigproduktes, z. B. eines Autos, final bestimmt werden. Somit beschäftigen sich bereits heute viele Industrieunternehmen, vom Steckverbinder- bis zum Transponderhersteller damit diese Daten zur Verfügung zu stellen. Die Industrial Digital Twin Association (IDTA) treibt die Asset Administration Shell (AAS) als digitalen Zwilling zu Produkten an. Wobei diese derzeit oft noch auf statischen Daten basieren, typischerweise Datenblattangaben, Zeichnungen, etc.

5. Damit dies Firmenübergreifend über den gesamten Produktzyklus funktioniert müssen eine Menge Daten ausgetauscht werden. Wie kann hier die Interoperabilität sichergestellt werden?

Hoppe: Die Herausforderung besteht darin, dass „die Business-Welt“ merkt scheinbar nun erst jetzt, dass sehr vielfältig Informationen ausgetauscht werden müssen – nicht nur zum digitalen Zwilling und wenn gewünscht zu einer AAS sondern auch zu Datenräumen, dem Metaverse, und weiteren IT-Anwendungen. OPC UA ist hier genau die Lösung, wenn verschiedene Geräte oder IT-Dienste von verschiedenen Anbietern Informationen austauschen wollen oder müssen.

OPC UA sehen viele als Protokoll der OT-Welt – das ist es eben nicht. Es ist eine Schnittstellen-Definition welche die auszutauschenden Informationen zunächst beschreiben kann und dann zusätzlich die Transportwege (wie TCP, UDP, MQTT, REST-Interface, Filetransfer) zur Verfügung stellt – mit integrierter Security versteht sich.

Vor 2-3 Jahren haben wir bereits mit dem „Digital Twin Consortium“ ein Demonstrator erstellt wo mit „einem Klick“ eine Instanz eines Asset -also ein Digitaler Zwilling- in der Edge oder der Cloud erstellt wurde – quasi als OPC UA Server Instanz welcher dann per „OPC UA over MQTT“ und REST erreichbar ist.

Das Demo wurde 2023 ausgebaut mit dem „Digitalen Product Passport“ und der konkreten Umsetzung des Batterie-Passport. Für das Batterie Demo haben wir auf die Semantik des Berliner Batterie-Konsortium gesetzt und diese innerhalb von nur 4 Stunden in eine lauffähige OPC UA-Server Instanz und in Kooperation mit Huawei an einer Batterie umgesetzt.

Ich will hier klar positionieren, dass OPC UA auf dem Wege ist die dominierende Welt-Modellierungssprache im Bereich der Automatisierung zu werden. Bereits heute sind über 150 Assets mit OPC UA beschrieben worden in den sogenannten Companion Specifications für z.B. den Roboter, die Tobacco Maschine, das Auto-ID Gerät, die Pumpe, die Fritteuse, – alle Beschreibungen sind kostenlos verfügbar.

Sensationell ist nun, dass Cloud-Anbieter wie Alibaba-Cloud, AWS, Google, Huawei, Microsoft, SAP sich zusammen geschlossen haben als „OPC Foundation Cloud Initiative“ um nicht nur standardisierten Transport von Daten „OPC UA over MQTT“ zu gewährleisten sondern auch den Kontext der per OPC UA beschriebenen Informationen in der Cloud beibehalten wollen.

Das bedeutet, dass keine Information der Companion Specs verloren geht und zweitens die OPC UA Modellierungssprachen von allen großen Cloud Anbietern verstanden wird. Das ist der eigentlich große Trend in der Automatisierung – egal auf welcher Ebene gemeint ist Feld, Edge, Cloud- OPC UA spielt eine zentrale Rolle – ich werde darüber auch am Kongress berichten.

6. Inwieweit ist dies zu den Konzepten der IDTA kompatibel – die das Thema digitaler Zwilling stark prägt?

Hoppe: Zunächst stelle ich fest, dass es weltweit eben keine eindeutige Definition eines Digitalen Zwilling gibt, z.B. haben wir die von mir als „one Klick“ eben beschriebenen Digitalen Zwillinge mit dem Digital Twin Consortium als Open Source umgesetzt. Es gibt sicherlich noch viele weitere Definitionen des digitalen Zwillings und Stand heute keiner kann mit den anderen Informationen austauschen. Die AAS hat sich leider zu früheren Zeiten (bevor die IDTA gegründet wurde) eine zu OPC UA inkompatible eigene Metamodellierungssprache definiert, welche weniger leistungsfähig ist.

Wir haben bereits vor 2 Jahren gezeigt, dass man mit der leistungsfähigeren OPC UA Technologie sehr leicht die AAS Teilmodelle in OPC UA Server laden kann – egal ob es dann lauffähig in der SPS, der Edge oder in der Cloud ist – mit allen Schnittstellen inkl. Filetransfer und bereits geprüfter Security. Es war ein Aufwand von 4 Tagen einen Konverter von AAS Teilmodellen zu UA Companion Specs zu schreiben, wir haben das an den 3 wirklich relevanten Teilmodellen wie auch dem Carbon Footprint validiert.

Ich will den technischen Konflikt zwischen OPCF und IDTA hier nicht leugnen – ich kann in meiner Rolle als Präsident aber in einem freien Markt auch keine künstliche Beschränkung in Applikationen vorgeben „du darfst keine AAS mit OPC UA umsetzen“. Den beiden Vorstände von IDTA und OPCF haben den Konflikt erkannt, haben einen Austausch gestartet und ich gehe fest davon aus, dass wir hier zu einer Lösung kommen und eine tiefere Zusammenarbeit ankündigen können. Ich zitiere hier Oskar Wilde „Am Ende wird alles Gut – und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es nicht das Ende.“

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