UHF RFID: Präzise Erkennung, hohe Reichweite

Schlüsseltechnologie im IoT

29. Juli 2025 · 10 min
Technologie UHF RFID: Präzise Erkennung, hohe Reichweite
Worum geht es

UHF RFID (Ultra High Frequency Radio Frequency Identification) gehört zu den leistungsfähigsten Funktechnologien zur drahtlosen Identifikation und Lokalisierung von Objekten. 

Mit Lesereichweiten von mehreren Metern, hoher Geschwindigkeit und der Möglichkeit, hunderte Tags gleichzeitig zu erfassen, ist UHF RFID ein zentraler Bestandteil vernetzter Prozesse in Industrie, Handel und Logistik

Die Technologie verbindet physische Produkte mit digitalen Systemen – skalierbar, präzise und effizient. 

1. Grundlagen

Was RFID wirklich ist – und was UHF besonders macht

RFID steht für „Radio-Frequency Identification“ – ein Sammelbegriff für kontaktlose Identifikationssysteme über Funk. Dabei kommuniziert ein Lesegerät mit einem Transponder (Tag), der auf einem Objekt angebracht ist. RFID wird in drei Hauptfrequenzbereiche unterteilt:

  • LF RFID (Low Frequency, ca. 125–134 kHz)
  • HF RFID (High Frequency, 13,56 MHz)
  • UHF RFID (Ultra High Frequency, 860–960 MHz)

Allen gemeinsam ist: Sie ermöglichen das Auslesen von IDs ohne Sichtkontakt. Der konkrete Aufbau, die Reichweite, das Übertragungsverfahren und die Anwendungsszenarien unterscheiden sich jedoch stark.

UHF RFID im Fokus

UHF RFID arbeitet im Frequenzbereich von 860 bis 960 MHz und nutzt das standardisierte Protokoll EPC Gen2 (ISO/IEC 18000-63). Im Gegensatz zu LF und HF basiert UHF RFID auf dem Backscatter-Verfahren: Tags senden nicht aktiv, sondern reflektieren das Signal des Lesegeräts und modulieren es mit ihren Daten. Diese Form der Kommunikation ist energieeffizient und ermöglicht hohe Lesereichweiten und schnelle Pulk-Erfassungen.

UHF RFID-Tags bestehen aus einem Mikrochip und einer Antenne. Der Chip speichert eindeutige Kennungen sowie optional Zusatzdaten oder Sensorwerte. Die Technik eignet sich besonders für logistische Prozesse, industrielle Anwendungen, Behältermanagement oder Track & Trace.

Reichweiten im Vergleich

  • LF RFID: wenige Zentimeter (z. B. Zugangskontrolle, Tierkennzeichnung)
  • HF RFID: bis ca. 1 Meter (z. B. kontaktlose Zahlung, Bibliotheken)
  • UHF RFID: mehrere Meter (3–10 m und mehr, je nach Umgebung und Antennentechnik)

Die höhere Reichweite von UHF RFID erlaubt automatisierte Lesungen über größere Distanzen, etwa beim Wareneingang oder in Lagerhallen – ohne manuelles Scannen.

Passiv, semi-passiv oder aktiv

UHF RFID ist in verschiedenen Tag-Formen verfügbar:

  • Passive Tags kommen komplett ohne Batterie aus.
  • Semi-passive Tags besitzen eine Batterie für Sensorik, aber nutzen weiterhin Backscatter zur Kommunikation.
  • Aktive Tags senden selbst und erreichen Reichweiten von mehreren Dutzend Metern, unterscheiden sich dadurch aber technisch vom klassischen UHF RFID.

Warum heißen alle „RFID“?

Obwohl LF, HF und UHF unterschiedliche Frequenzen und physikalische Eigenschaften nutzen, gehören sie technisch zur gleichen Familie: Sie übertragen eine digitale Identität per Funk – kontaktlos, eindeutig, zuverlässig. Der Begriff „RFID“ beschreibt somit nicht eine einzelne Technologie, sondern ein übergeordnetes Prinzip mit unterschiedlichen Ausprägungen. Nur UHF RFID nutzt jedoch das reflektierende Backscatter-Verfahren – bei LF und HF (Near Field RFID) erfolgt die Kommunikation über induktive Kopplung.

Die Wahl des passenden Systems richtet sich daher stets nach Anwendung, Umgebung und Anforderungen an Lesereichweite, Geschwindigkeit und Medienkompatibilität.

UHF-RFID-Produkte

2. Status Quo

Technologiereife und breite Marktverfügbarkeit

UHF RFID ist heute in vielen Branchen etabliert und standardisiert. Besonders weit verbreitet ist die Technologie in der Logistik (Versand, Wareneingang, Retouren), im Einzelhandel (Inventur, Self-Checkout, Diebstahlschutz), in der Industrie (Werkzeugverfolgung, Serienfertigung, Rückverfolgbarkeit), im Gesundheitswesen (Medikamente, Instrumente, Textilien) und in der Luftfahrt (Wartung, Ersatzteile, Gepäckverfolgung).

Die Verfügbarkeit von robusten, kostengünstigen Hardware-Komponenten – von Readern bis zu spezialisierten Tags – ermöglicht flexible, skalierbare Lösungen. Neben klassischen Lesetoren und Handscannern kommen zunehmend drahtlose Reader mit WLAN, Bluetooth oder Mobilfunkanbindung zum Einsatz. Edge-KI auf Readern erlaubt die lokale Vorverarbeitung von Daten, etwa zur Filterung von Störlesungen, Ereignissteuerung oder Echtzeit-Erkennung von Bewegungsmustern.

Zudem ermöglicht die klare Trennung zwischen TID (feste Seriennummer des ICs), EPC (Produktcode) und User Memory (frei beschreibbarer Speicherbereich) eine hohe Flexibilität in der Datenorganisation.

Hersteller oder Distributoren im Bereich UHF RFID

3. In der Praxis

Sensorik, Abschirmung, Architektur

Moderne UHF RFID-Systeme werden zunehmend als Datenschnittstellen eingesetzt – nicht nur zur Identifikation, sondern auch zur Übertragung von Umgebungsdaten. Tags mit integrierten Sensoren messen etwa Temperatur, Erschütterung oder Feuchtigkeit entlang der Lieferkette – rein passiv oder batteriestützt. Diese Werte werden automatisch beim Auslesen übertragen.

Auch bei der physischen Integration gibt es wichtige Unterschiede: Tags müssen passend zur Oberfläche, Umgebung und Anwendung gewählt werden. Es existieren waschbare Textiltags, Tags für metallische Oberflächen, miniaturisierte Varianten für Medizintechnik oder robuste Hartschalen-Tags für die Industrie. Ebenso vielfältig ist die Reader-Infrastruktur – stationär, mobil oder eingebettet in Maschinen.

In komplexen Umgebungen spielt RFID Shielding eine entscheidende Rolle. Um unerwünschte Lesungen zu verhindern, kommen gezielte Abschirmmaßnahmen zum Einsatz – etwa metallisierte Boxen, Lesetunnel oder Absorbermaterialien. Damit lassen sich Lesezonen exakt definieren.

Artikel auf Think WIoT

Sichere Identifikation auf der Straße: UHF RFID im digitalen Fahrzeugkennzeichen

Mit dem IDePLATE-System zeigt die Tönnjes International Group, wie UHF RFID zur tragenden Säule intelligenter Mobilitätsinfrastrukturen wird. Durch die Integration eines RAIN-RFID-Chips in das Fahrzeugkennzeichen wird eine sichere, kontaktlose Identifikation im fließenden Verkehr möglich – unabhängig von Sichtkontakt. Die Lösung kommt bereits in Ländern wie Malaysia, auf den Philippinen oder den Cayman Islands zum Einsatz und umfasst neben dem RFID-Kennzeichen auch Windschutzscheibenaufkleber (IDeSTIX) und die Middleware IDeTRUST zur digitalen Zulassung. 

Die Lesereichweite liegt bei bis zu 15 Metern, die Datenübertragung erfolgt verschlüsselt, personenbezogene Daten werden nicht auf dem Chip gespeichert. Damit verbindet das System hohe Sicherheit, Datenschutz und Skalierbarkeit – und bietet eine zukunftsfähige Alternative zu kamerabasierten Fahrzeugerkennungssystemen. 

 RFID-Chips im Fahrzeugkennzeichen
RFID-Chips im Fahrzeugkennzeichen

Produktionssteuerung in Echtzeit: IVECO optimiert Lackierprozesse mit UHF RFID

IVECO Czech Republic setzt in seiner Lackiererei auf UHF-RFID-Technologie zur automatisierten Verfolgung von Busrahmen – und gewinnt damit Echtzeittransparenz, höhere Auslastung und mehr Effizienz. Mit RFID-Tags an jedem Fahrgestell und robusten Antennenlösungen von FlexiRay erkennt das System automatisch Stillstände, meldet Verzögerungen und verbessert die Steuerung des Materialflusses. 

Die Einführung ersetzt fehleranfällige Barcodes durch eine kontinuierliche, berührungslose Erfassung der Rahmenbewegung in einer anspruchsvollen Industrieumgebung. IVECO zeigt damit, wie RFID als Teil einer modernen Fertigungsarchitektur auch in komplexen, taktgesteuerten Prozessen einen direkten Produktivitätsgewinn liefert. 

Lackiererei mit RFID: IVECO setzt auf UHF-Technologie
Lackiererei mit RFID: IVECO setzt auf UHF-Technologie

Fossilien finden, speichern, bewahren: RFID revolutioniert die Paläontologie

Die Earth Sciences Foundation nutzt Near Field UHF RFID, um Fossilien mit einzigartigen IDs zu markieren und ihren exakten Fundort, Zustand und Kontext dauerhaft zu dokumentieren. Mit robusten RFID-Tags, mobilen Lesegeräten und der Integration in GIS-Systeme wie ArcGIS entsteht ein digitaler Zwilling der Fundorte – auch ohne Internetverbindung vor Ort. Die Technologie erlaubt es, Dinosaurierfossilien, Museumsobjekte und kulturelle Artefakte lückenlos zu verfolgen, wissenschaftlich zu kuratieren und sogar in digitalen Karten und Story Maps öffentlich zugänglich zu machen. 

RFID schafft damit neue Möglichkeiten der Wissenschaftsvermittlung, der Katastrophenvorsorge und des kulturellen Erhalts – in Museen, Nationalparks und darüber hinaus. Ein Beispiel, wie RFID selbst in untypischen Bereichen wie Archäologie und Paläontologie zu einem praxisrelevanten Werkzeug wird. 

Einsatz technologischer Innovationen in der Paläontologie
Einsatz technologischer Innovationen in der Paläontologie

RFID in der Lagerlogistik bei Imbera Cooling

Imbera Cooling hat sein Lager in Kolumbien mit einer RFID-basierten Lösung vollständig digitalisiert – und den Inventurprozess revolutioniert. In Zusammenarbeit mit Ideas Control wurde ein UHF-RFID-System eingeführt, das Barcodes ersetzt, Echtzeitdaten liefert und Geräte auf Knopfdruck lokalisiert. Die Kombination aus passiven Beontag-Tags, UHF-Schlittenlesegeräten und einer Azure-basierten Plattform verkürzte die Inventurzeit von drei Tagen auf eine Stunde – mit nur einem Mitarbeiter. 

Die Lesegenauigkeit liegt bei 99,99 %. Die Lösung ermöglicht eine effizientere Bestandsführung, schnellere Auftragsabwicklung und bildet die Grundlage für zukünftige IoT-Integrationen, etwa für GPS- und Temperaturdaten. Ein eindrucksvolles Beispiel für skalierbare RFID-Nutzung in einem dynamischen Logistikumfeld. 

Imbera Cooling setzt in seinem kolumbianischen Lager auf RFID-Technologie
Imbera Cooling setzt in seinem kolumbianischen Lager auf RFID-Technologie

RFID-gestützte Bekleidungslogistik: Universitätsklinikum Graz setzt auf digitale Effizienz

Das Universitätsklinikum Graz hat gemeinsam mit dem KAGes-Textilservice ein innovatives RFID-System für die automatisierte Ausgabe und Rücknahme von Dienstkleidung etabliert. In eigens konzipierten Bekleidungsräumen werden Mitarbeitende per Mitarbeiterausweis identifiziert und erhalten entpersonalisierte Arbeitskleidung. Der gesamte Kreislauf – von Rückgabe bis Ausgabe – wird in Echtzeit über RFID erfasst. 

Die Lösung, realisiert mit Technologie von deister electronic, sorgt für Transparenz, reduziert Verluste und spart Kosten. Durch die Einführung bunter Kleidung und die Entpersonalisierung wird auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden gesteigert. Bis 2026 sollen über 5.500 Personen von dieser intelligenten Textillogistik profitieren. Ein wegweisendes Projekt für moderne Krankenhauslogistik. 

RFID-basierte Bekleidungsraumlösung am Universitätsklinikum Graz
RFID-basierte Bekleidungsraumlösung am Universitätsklinikum Graz

UHF-RFID in Aktion: Weitere Stories

4. Panorama

RAIN RFID – Cloud-Konnektivität für jedes Objekt

Die Bezeichnung RAIN RFID steht für eine globale Initiative, die auf UHF RFID mit EPC Gen2-Standard aufbaut. Sie verbindet jeden RFID-Tag mit einem Cloud-System – etwa für digitale Zwillinge, Seriennummernverwaltung oder Rückverfolgbarkeit. RAIN ist besonders in Retail und Logistik verbreitet, da es hohe Lesegeschwindigkeiten mit systemübergreifender Datenverfügbarkeit kombiniert. 

UHF RFID im RTLS-Einsatz

UHF RFID kann mehr als nur ID-Übertragung – es lässt sich auch zur Echtzeitlokalisierung (RTLS) nutzen. Über Antennenanordnung, Signalstärke (RSSI) oder Phasenauswertung lassen sich Zonen- oder Bewegungsdaten erfassen. Kombiniert mit UWB (Ultra-Wideband) ergeben sich hybride Systeme, bei denen UHF die Identität und UWB die Position liefert – eine ideale Kombination für Industrie, Klinik oder Lager. 

Near Field UHF im Vergleich zu Near Field RFID

Near Field UHF ist eine Variante von UHF RFID mit sehr kurzer Lesereichweite – typischerweise unter zehn Zentimetern. Anders als HF RFID bei 13,56 MHz nutzt Near Field UHF ebenfalls das Backscatter-Prinzip, aber mit speziell abgestimmten Antennen für magnetische Kopplung im Nahfeld.

Der Vorteil: selektives Lesen auf Metall oder bei hoher Tag-Dichte, ohne unbeabsichtigte Fernlesungen. HF RFID hingegen ist weltweit im Konsumumfeld etabliert – etwa in Zahlungssystemen oder Zugangskarten – und mit Smartphones kompatibel. Near Field UHF hingegen zielt klar auf industrielle Anwendungen.

Dual Frequency & Digital Product Passport (DPP)

Ein wachsender Trend sind Dual-Frequency-Tags, die sowohl mit UHF-Readern als auch per NFC am Smartphone ausgelesen werden können. Sie ermöglichen die Verbindung industrieller Abläufe mit der Interaktion am Point-of-Sale oder durch den Endkunden.

Ein zentrales Anwendungsfeld ist der Digitale Produktpass (DPP): Ein einziges Tag trägt die eindeutige Seriennummer, Informationen zur Herkunft, Materialzusammensetzung, CO₂-Bilanz und Recyclingfähigkeit – lesbar in der Logistik und sichtbar für Verbraucher. So wird RFID Teil der Kreislaufwirtschaft.

Think WIOT beleuchtet die technologische Umsetzung und Praxisbeispiele des DPP in einer Interviewserie mit führenden Hardware- und Lösungsanbietern.

UHF RFID im Smartphone

UHF RFID hält Einzug in mobile Endgeräte. Erste Smartphones und Zubehörmodule ermöglichen das Auslesen von UHF-Tags über mehrere Meter – bisher nur spezialisierten Readern vorbehalten. Damit eröffnen sich neue Anwendungsfelder, etwa für mobile Inventuren, die Produktverfolgung im Handel oder flexible Logistikprozesse.

Zwar steckt die Integration noch in den Anfängen, doch das Potenzial ist enorm: UHF im Smartphone macht die Technologie mobiler, zugänglicher – und fit für das dezentrale IoT.

Think WIOT begleitet diese Entwicklung in einer Interviewserie mit führenden Anbietern von UHF-fähigen Smartphones und Modulen. 

5. Fazit

Rückgrat einer vernetzten, automatisierten Welt

UHF RFID hat sich von der Logistiktechnologie zu einer vielseitigen Lösung für datengetriebene Prozesse entwickelt. Mit hoher Reichweite, robuster Infrastruktur und der Möglichkeit zur Sensorintegration ist sie ein zentraler Bestandteil des Internet of Things – branchenübergreifend und skalierbar. Dank Entwicklungen wie RAIN RFID, Near Field, RTLS-Funktionalität, Edge-KI und Dual-Frequency-Tags wächst das Potenzial kontinuierlich weiter. UHF RFID ist heute nicht nur Schlüsseltechnologie für Effizienz – sondern auch ein Treiber für Transparenz, Nachhaltigkeit und intelligente Automation.

Anja Van Bocxlaer
Anja Van Bocxlaer Managing Director, Think WIoT
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