- OPC UA ist das zentrale Kommunikationsprotokoll für die Tunnelüberwachung in Österreich.
- Die Technologie ermöglicht eine sichere, interoperable Integration von über 6,5 Millionen Datenpunkten.
- Redundanz und objektorientierte Datenmodellierung erhöhen die Verlässlichkeit und Standardisierung.
- Die ASFINAG betreibt ein zentrales Überwachungssystem mit regionalen Verkehrsmanagementzentren als Backup.
- Zukunftspläne beinhalten die erweiterte Zustandsüberwachung und standardisierte Anbindung externer Systeme.
Millionen von Datenpunkten und Sensoren sind miteinander verbunden und werden zentral mit OPC UA verwaltet.
Die Tunnel in Österreich gehören zu den komplexesten in Europa. Da Sicherheit oberste Priorität hat, setzt die ASFINAG gemeinsam mit ihrem Technologiepartner evon auf OPC UA, um eine zuverlässige, interoperable Kommunikation zwischen verschiedenen Systemen zu ermöglichen – sicher, standardisiert und redundant –, die von Pilotprojekten auf Millionen von Datenpunkten skaliert werden kann und gleichzeitig den Betrieb im gesamten hochrangigen Straßennetz transparent und kontrollierbar hält.
Markus Winter, Teamleiter für Tunnel- und Freistraßendienste bei der ASFINAG, und Daniel Seewald, Leiter Tunnel- und Verkehrsinfrastruktur bei evon, erzählen die Geschichte hinter dieser Einführung.
OPC UA für das österreichische Tunnelnetz
ASFINAG und evon: vom Pilotprojekt zu VMIS 2.0
Seit 2018 ist evon Teil eines internationalen Konsortiums, das von der ASFINAG mit der Entwicklung des Verkehrsmanagement- und Informationssystems VMIS 2.0 beauftragt wurde. Die Plattform integriert über 33.000 Verkehrseinrichtungen, darunter rund 170 Tunnel, und legt den Grundstein für die zukünftige Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (V2I).
evon nutzt seine Kernkompetenzen in den Bereichen Industrieautomation, Prozess- und Produktionssteuerung, Gebäudeautomation, Verkehrs- und Tunnelinfrastruktur sowie Energiemanagement und liefert seine Plattform evon XAMControl, die SCADA-, DCS- (SCADA + virtuelle SPS) und MES-Anwendungen umfasst.
Wo Sicherheit zählt: Kommunikation im Tunnelbetrieb
Zuverlässige und interoperable Kommunikation ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere im Tunnelbetrieb, wo Sensoren, Steuerungssysteme und Sicherheitsmechanismen zusammenwirken. Hier kommt OPC UA ins Spiel.
Seit einem ersten Pilotprojekt im Jahr 2016 hat sich OPC UA als zentrale Technologie in den Tunnelüberwachungssystemen Österreichs etabliert. In der heutigen Lösung verbindet OPC UA als hoch skalierbare Technologie Millionen von Datenpunkten. Seine größten Stärken sind plattformunabhängige Interoperabilität, End-to-End-Sicherheit, standardisierte semantische Informationsmodelle und integrierte Redundanz für hohe Verfügbarkeit.
„In den Tunneln Österreichs zählt jede Sekunde – deshalb setzen wir auf eine sichere, interoperable und redundante Kommunikation.“
Markus Winter, Teamleiter Tunnel & Open-Road Services bei ASFINAG
Alpine Topografie, dichte Tunnelinfrastruktur und Transitverkehr
Die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung im Tunnelbetrieb ist auch eine Reaktion auf die enorme Komplexität der österreichischen Verkehrsinfrastruktur. Die alpine Topografie, eine dichte Tunnelinfrastruktur und ein hoher Transitverkehr prägen die Anforderungen an Planung, Betrieb, Instandhaltung und Überwachung.
Warum ist der Tunnelbetrieb so sicherheitskritisch?
Tunnel stellen hohe Anforderungen an Sicherheit und Überwachung. Schließlich handelt es sich um geschlossene Räume, die schwer zugänglich sind und in denen im Notfall nur begrenzt schnell eingegriffen werden kann. Bei Vorfällen wie Bränden, Unfällen oder technischen Ausfällen können Rauch, Hitze und giftige Gase gefährlich werden.
Daher müssen Systeme wie Lüftung, Beleuchtung, Brandmelde- und Löschanlagen, Verkehrsleittechnik und Notrufsysteme optimal aufeinander abgestimmt sein. Gerade weil die Systeme oft von verschiedenen Herstellern stammen, ist ein reibungsloses und fehlerfreies Zusammenspiel der Systeme von entscheidender Bedeutung.
Fazit: Moderne Tunnelsysteme stellen höchste Anforderungen an die Betriebssicherheit. Die Standards für die Kommunikation, die Überwachung aller Messwerte und die nahtlose Integration aller beteiligten Systeme sind entsprechend streng. EU-Richtlinien und nationale Vorschriften wie die Tunnelrichtlinie schreiben regelmäßige Inspektionen, Renovierungen oder digitale Nachrüstungen vor.
Technische Systeme in Tunneln
Die Zusammenarbeit zwischen ASFINAG und evon hat sich bei einer Vielzahl von technischen Aufgaben, die in modernen Tunneln umgesetzt werden müssen, bewährt. Die Systeme müssen installiert, vernetzt und über zentrale Plattformen wie evon XAMControl gesteuert werden. Ein Blick auf diese komplexe Infrastruktur verdeutlicht die Herausforderungen – und die Bedeutung einer zuverlässigen Automatisierung.
Moderne Straßentunnel sind mit einer Vielzahl technischer Systeme ausgestattet. Sicherheitssysteme und Brandschutzsysteme sind zentrale Komponenten. Dazu gehören Brandmeldeanlagen, Rauch- und Wärmeabzugsanlagen, automatische Feuerlöschanlagen, Notrufsysteme, Fluchtwegbeleuchtung und Notbeleuchtung, die auch bei Stromausfall funktioniert.
Zur technischen Ausstattung gehören auch Lüftungs- und Entrauchungsanlagen. Die Luftqualität wird kontinuierlich durch Sensoren überwacht. Zur Verkehrs- und Betriebstechnik gehören variable Verkehrszeichen, Schrankenanlagen und Lichtsignale. Sie reagieren dynamisch auf das Verkehrsaufkommen und gefährliche Situationen. Videoüberwachungskameras und automatische Systeme zur Erkennung von Staus und Unfällen liefern kontinuierlich Informationen an die zentrale Leitstelle.
Die Steuerung erfolgt über ein SCADA-System. Die Verantwortung für die Steuerung und Regelung liegt bei den Tunnelbauern, die ihre Systeme in lokale Steuergeräte integrieren. Diese dezentralen Einheiten stehen in ständiger Kommunikation mit den regionalen Verkehrsleitzentralen, die den 24/7-Betrieb der Tunneleinrichtungen überwachen.
2016: Beginn der OPC-UA-Integration
Erste Feldstudie mit OPC UA: Tunnel in Kärnten als Pilotprojekt
Die Zusammenarbeit mit evon und die Einführung von OPC UA reichen bis ins Jahr 2016 zurück. Der Kommunikationsstandard wurde bereits in früheren Anlagenprojekten angewendet. evon implementierte das Steuerungs- und Visualisierungssystem.
Der erste spezielle Anwendungsfall zum Testen und Bewerten des Kommunikationsstandards OPC UA war die Integration einer Tunnelkette mit vier technischen Einrichtungen in der Region Klagenfurt am Wörthersee. In diesem Pilotprojekt wurde die Eignung für den breiten Einsatz in der Tunnelüberwachung geprüft.
Vergleich von OPC UA mit anderen Fernwirkprotokollen
Die Entscheidung für die vollständige Einführung von OPC UA fiel nach einer Evaluierungsphase, in der OPC UA mit den Fernwirkprotokollen IEC 60870-5-104 und IEC 61850 verglichen wurde. Ausschlaggebend waren insbesondere die kontinuierliche Weiterentwicklung von OPC UA und die strukturierten Möglichkeiten der objektorientierten Datenmodellierung.
Seit 2016 ist OPC UA das Standardprotokoll für die Datenintegration bei der ASFINAG. Die positiven Erfahrungen aus dem Pilotprojekt in Kärnten und die erfolgreiche Skalierung von anfänglich 50.000 auf rund 6,5 Millionen Datenpunkte bestätigten die technische und strategische Entscheidung.
Technologische Aspekte und Vorteile der OPC UA-Integration
Wie die ASFINAG OPC UA einsetzt
OPC UA wird bei der ASFINAG als zentrales Kommunikationsprotokoll eingesetzt, um Steuerungssysteme, Sensoren und Sicherheitseinrichtungen systemübergreifend sicher und interoperabel zu vernetzen. Die standardisierte Datenmodellierung und herstellerunabhängige Kommunikation bieten einen klaren Vorteil für den Tunnelbetrieb. OPC UA verbindet verschiedene Systeme und unterstützt so die Überwachung und Steuerung von Tunneleinrichtungen.
Ergänzt wird das System durch die XAMControl-Plattform von evon. Die Plattform übernimmt die Datenaggregation und Visualisierung.
Redundanz ist für Tunnelüberwachungssysteme zwingend erforderlich
Die Tunnelsysteme sind über OPC UA mit den Überwachungssystemen verbunden. Dank standardisierter Datenmodellierung können Systeme verschiedener Hersteller integriert und zentral überwacht werden. Dadurch erhalten die Betreiber in den Verkehrsleitzentralen präzise Informationen über Betriebszustände, Störungen und Wartungsbedarf.
Die OPC-UA-Integration deckt eine Vielzahl von Systemtypen ab. Dazu gehören Lüftungs- und Beleuchtungssysteme, Brandmeldeanlagen mit Sensoren, Notrufsysteme mit SOS-Tasten und Monitoren, Verkehrsleitsysteme, Energie- und Videoüberwachung sowie Feuerlöschanlagen. Auch Transformatoren, Schaltzustände und automatische Leistungsschalter in der Energietechnik sind integriert. Wasserschutz-, Löschwasser- und Lüftungssysteme sind jedoch noch nicht flächendeckend angeschlossen.
Aus historischen Gründen wird OPC UA Data Access zur Übertragung von Fehler- und Alarmmeldungen, Sensorwerten, Betriebs- und Diagnosedaten sowie Steuerbefehlen verwendet. Mit dieser Funktion können Schaltzustände überwacht, Wartungszyklen abgefragt oder Betriebsmodi gezielt geändert werden.
Die zugrunde liegenden Datenmodelle basieren auf dem ASFINAG-Objektkatalog, der während der Umsetzung der ersten Projekte erstellt wurde und ständig erweitert wird. Diese standardisierte Modellierung gewährleistet eine einheitliche Verarbeitung aller relevanten Daten innerhalb der Tunnelinfrastruktur.
IT-Sicherheit und Integration: Objektmodellierung
Tunnelsysteme in Österreich unterliegen strengen IT-Sicherheitsanforderungen. OPC UA unterstützt verschiedene Authentifizierungsmethoden, wie z.B. Benutzerkennwortmodelle und zertifikatsbasierte Authentifizierung, wodurch diese Anforderungen umgesetzt werden können. Diese Mechanismen dienen der Zugriffskontrolle auf die Systeme und dem Schutz vor Angriffen von außen.
Neben sicherheitsrelevanten Aspekten spielt die objektorientierte Datenmodellierung eine zentrale Rolle bei der Integration der Tunnel-Technologie. Die Integration der Systemkomponenten erfolgt über einen vordefinierten Objektkatalog, der eine einheitliche Struktur und Darstellung der übertragenen Daten gewährleistet. OPC UA Data Access ist derzeit die wichtigste Implementierungsmethode, während andere Funktionen des Protokollstacks, wie Methodenaufrufe oder der direkte Zugriff auf Archiv- und Alarmdaten, noch nicht genutzt werden.
Die standardisierte Modellierung erleichtert die Integration technischer Systeme und ermöglicht eine konsistente Visualisierung der Betriebszustände in den Überwachungssystemen. Dies reduziert den Aufwand für Engineering-Prozesse, wodurch wiederum mehr Ressourcen für Tests und Qualitätssicherung frei werden.
Einheitliche Datenstruktur für verschiedene Interessengruppen
Ein wesentlicher Vorteil von OPC UA ist die standardisierte und klar verständliche Datenstruktur. Verschiedene Auftragnehmer und Systemhersteller liefern Daten in einheitlich modellierter Form, was eine konsistente Überwachung ermöglicht. Die ASFINAG betreibt das zentrale Überwachungssystem, in das alle Systeme vor der Abnahme integriert werden müssen, und fungiert nicht als Vermittler.
Alle Daten – derzeit rund 6,5 Millionen Datenpunkte – laufen auf einem redundanten Server in Wien zusammen. Von dort werden sie zusätzlich an neun regionale Verkehrsmanagementzentren verteilt. Diese dezentrale Architektur gewährleistet Zuverlässigkeit und ermöglicht einen sogenannten autarken Betrieb: Bei einer Unterbrechung der Verbindung zur Zentrale in Wien kann der Betrieb innerhalb der jeweiligen Region unabhängig aufrechterhalten werden.
Dennoch bleiben die Entscheidungsprozesse zentral organisiert, da alle operativen Prozesse über den Hauptserver in Wien gesteuert werden. Die regionalen Server gewährleisten die Betriebsfähigkeit im Falle einer Störung. Diese Kombination aus zentraler Steuerung und regionaler Sicherung stärkt die Betriebssicherheit der Tunnelinfrastruktur.
Wie genau sind die Systeme mit OPC UA verbunden?
Um die Betriebssicherheit bei der Anbindung von Tunnelsystemen zu gewährleisten, sind die Verbindungen zwischen den regionalen Verkehrsleitzentralen und den Tunnelsystemen stets redundant ausgelegt. Durch die Nutzung des Redundanzmechanismus von OPC UA – insbesondere durch das Auslesen des Redundanzstatus über die Variable „ServiceLevel“ – kann der Status jedes Kommunikationspartners genau bewertet werden.
Der ServiceLevel-Wert ist in definierte Bereiche unterteilt, die den Zustand der Datenquelle und die Serverauslastung anzeigen, nicht den allgemeinen Betriebsstatus. In OPC UA-Redundanzszenarien nutzen sowohl Server als auch Clients diese Informationen: Server geben den ServiceLevel bekannt, und Clients nutzen die Redundanzmechanismen für Lastenausgleich und Failover.
Zukunftspläne für Tunnelsysteme in Österreich
Inkrementelle Skalierung der Tunnelinfrastruktur mit OPC UA
Mit der Inbetriebnahme der letzten Verkehrsleitzentrale in Hohenems im Mai 2025 wurde ein Meilenstein erreicht. Weitere Integrationsschritte stehen jedoch noch bevor, da jede Tunneleinrichtung alle zehn Jahre renoviert und dann wieder angeschlossen wird. Die Anzahl der Sensoren und Sicherheitskomponenten nimmt kontinuierlich zu. Diese kontinuierliche Erweiterung führt zwar nicht mehr zu einem exponentiellen Wachstum der OPC-UA-Datenpunkte, ermöglicht aber ein weiteres schrittweises Wachstum der Systemlandschaft.
„OPC UA ist unser Rückgrat für Interoperabilität: sichere Authentifizierung, klare Informationsmodelle, herstellerunabhängige Integration.“
Daniel Seewald, Leiter Tunnel- und Verkehrsinfrastruktur bei evon
Zukunft: Zustandsüberwachung im Tunnelbetrieb mit OPC UA
Die Zustandsüberwachung spielt im Tunnelbetrieb eine immer wichtigere Rolle, insbesondere bei der kontinuierlichen Auswertung von Sensordaten. Derzeit werden diese Daten oft noch über analoge Signale oder externe Drittsysteme erfasst, die andere Protokolle als OPC UA verwenden. OPC UA wurde bereits erfolgreich zwischen der Tunnelsteuerung und der Leitstelle eingeführt.
Langfristig strebt die ASFINAG an, auch die Anbindung dieser externen Systeme schrittweise über OPC UA zu standardisieren. Die bisher im Hauptsystem gesammelten Erfahrungen sollen nun auf den Bereich der Zustandsüberwachung übertragen werden, um eine einheitliche und interoperable Datenbank für den gesamten Tunnelbetrieb zu schaffen.
Große Tunnelprojekte in Österreich
Die ASFINAG arbeitet derzeit an mehreren großen Tunnelprojekten in Österreich. Dazu gehört die Tunnelkette Golling–Werfen auf der A10, die aus fünf Tunneln besteht. Die Sanierung dieser Tunnelkette wurde im Juni 2025 abgeschlossen. Als nächstes stehen die Sanierungsarbeiten an den Tunneln Tauern und Katschberg auf dem Programm.
Ein weiteres Projekt ist der Bau der zweiten Röhre des Karawankentunnels auf der A11. Dieser Tunnel wird Österreich mit Slowenien verbinden. Die Fertigstellung der neuen Oströhre ist für Frühjahr 2026 geplant. Die bestehende Röhre wird dann komplett saniert, damit beide Röhren wie geplant im Sommer 2028 in Betrieb genommen werden können.
Mehrere Tunnelabschnitte auf der Autobahn A26 Linz werden renoviert. Die Donautalbrücke wurde 2024 fertiggestellt, der Freinbergtunnel folgt 2026, die Fertigstellung ist für 2032 geplant. Der anschließende Bau der Westbrücke wird 2035 abgeschlossen sein.
Ein weiteres Großprojekt ist die vollständige Sanierung des Abschnitts zwischen Haiming und dem Roppener Tunnel auf der A12. Für dieses Projekt sind bis 2027 Investitionen in Höhe von über sieben Milliarden Euro geplant.
ASFINAG in Zahlen und Fakten (Stand 2024)
Investitionen: 1 ,519 Milliarden Euro in die Verkehrsinfrastruktur
Mautnetz: 2.266 km Autobahnen und Schnellstraßen
Hauptinfrastruktur
5.862 Brücken
170 Tunnel
6 Mautstationen
9 Verkehrsmanagementzentren
43 Autobahnwartungsdepots
385 Kreuzungen
Zusätzliche Infrastruktur
87 Tankstellen
59 Raststätten
106 Parkplätze
10.375 Lkw-Parkplätze
72 Park-and-Ride-Anlagen