Maschinen auf mehr als 1.000 Baustellen
Partnerkonsortium vernetzt Millionen von GPS-Daten
Bouygues Construction Matériel, eine Tochtergesellschaft der Bouygues Construction Group, hat Omniscient, ein von Bouygues SA gegründetes Startup, Ende 2019 beauftragt, 20.000 Geräte für die Fernverwaltung in Echtzeit zu vernetzen. Das IT-Know-how und die IoT-Plattform stammen von Omniscient. Für die Konnektivität zeichnet sich Bouygues Telecom verantwortlich. Abeeway, ein Tochterunternehmen des französischen Unternehmens Actility, liefert die LoRaWAN-Sensoren.
Bouygues Construction Matériel ist für die Verwaltung aller Maschinen und Geräte der Gruppe verantwortlich. Dazu gehört, dass jede Baustelle pünktlich mit funktionstüchtigen Maschinen und Geräten ausgestattet wird. Jeden Tag werden Zehntausende von Geräten gewartet und an alle Baustellen in Frankreich verteilt.
Zu diesem Zweck hat Omniscient eine Lösung für Bouygues Construction Matériel entwickelt, die auf Multitechnologie- Tracker von Abeeway, einem Spezialisten für Geolokalisierungslösungen mit extrem niedrigem Stromverbrauch basiert. Das IT-Know-how und die IoT-Plattform stammen von Omniscient. Für die Konnektivität zeichnet sich Bouygues Telecom verantwortlich. Zielsetzung: Optimierung des Baustellenbetriebs für die Datensammlung und -analyse.
An dem Großprojekt sind etwa hundert Mitarbeiter beteiligt, die die Geräte auf mehr als tausend Baustellen, verteilt auf fünf technischen Standorten, überwachen. Das entspricht der Installation von Sensoren an mehr als 20.000 Geräten und Millionen von GPS-Daten.
Verwaltung von Geräten im Wert von einer Million Euro
Der französische Bauriese Bouygues Construction Group erwartet durch die Einführung einer Sensor basierten Vernetzung der Ausrüstung jährliche Einsparungen von fünf bis zehn Prozent bei Flottenmanagement und Wartung. Der ROI soll in drei Jahren erreicht.
Einsparpotentiale der LoRaWAN-Lösung:
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- Vereinfachte Rechnungsstellung: Alle Informationen in Bezug auf Geräte-Input/ Output oder Auslastungsrate werden auf allen Baustellen erfasst, wodurch die Rechnungsstellung schneller und einfacher wird.
- Effiziente Ressourcennutzung: Ungenutzte Geräte auf Baustellen werden identifiziert und können mobilisiert werden, um externe Anmietungen zu vermeiden.
- Lebenszyklus der Geräte: Geräte, die das Ende ihres Lebenszyklus erreichen, werden priorisiert, um Aufrüstungskosten zu vermeiden und die regelmäßige Wartung der Geräte für eine längere Lebensdauer sicherzustellen.
- Reduzierte Bestandskosten: Ein optimaler Überblick über den Gesamtbestand ermöglicht die Minimierung der Lagerbestände pro Depot.
- Verwaltung in Echtzeit: Entscheidungen werden schnell getroffen, Informationen sind sofort verfügbar und aktuell, wodurch Betriebszeit für wertschöpfende Aufgaben freigesetzt wird.
LoRaWAN in der Bauwirtschaft
Anforderungen an Transparenz, Robustheit und Langlebigkeit mit einer Technologie abgedeckt
Bei der Umsetzung von Bauprojekten werden große Mengen an Strom, Wasser und Baumaterialien sowie eine Vielzahl an Mitarbeitern benötigt. Die Unübersichtlichkeit der (Groß-)Baustellen erschwert die Überwachung und den Diebstahlschutz von Geräten und Maschinen.
Wie können Anforderungen an Transparenz, Robustheit und Langlebigkeit mit einer Technologie abgedeckt werden? Die Reichweiten von passiven Technologien, beispielsweise RFID, sind zu gering. GPS durchdringt nicht den gesamten Innenraum. Mobilfunkapplikationen erzeugen Netznutzungskosten und bieten nicht erforderliche Zusatzleistungen, darunter große Bandbreiten und hohe Datenübertragungsgeschwindigkeiten.
Eine Technologie, die alle Anforderungen abdeckt ohne die Kosten für die Infrastruktur in die Höhe zu treiben, ist LoRaWAN. Dieses Low-Power-Wide-Area-Network bietet einen offenen, globalen, interoperablen Standard. Die Investitionen in die Hardwareinfrastruktur sind im Vergleich zu anderen Funktechnologien gering.
Die Sensoren gewährleisten Batterielaufzeiten von über zehn Jahren, je nach Abfragehäufigkeit von Informationen. Für Baustellenapplikationen spielen geringe Latenzen bei gleichzeitig umfangreichen Datenpaketen eine untergeordnete Rolle.
Tracking-, Lokalisations- oder Sensordatenerfassungen können via LoRaWAN über große Distanzen ausgetauscht werden.
LoRaWAN-Basierte Anwendungsbeispiele auf der Baustelle
- Geolokalisierung und Tracking von Equipment, Baumaterialien/ Ladungsträgern und Personal
- Optimierte Auslastung und Zustandsüberwachung von Baufahrzeugen und -maschinen
- Vorausschauende Wartungspläne auf Basis erfasster Daten wie Kilometerstand, Motorstunden, Energieverbrauch und Leerlaufzeiten
- Erfassung von Messdaten wie Temperaturen, Feuchte oder Erschütterung aus den Bauwerken
- Kollisionsvermeidung und -erkennung von Baufahrzeugen
- Überwachung von Luftverschmutzung und -qualität im Innen- und Außenbereich
- Überwachung von Sicherheitszonen für Equipment und Arbeiter (Geofencing)
- Erfassung des Energie- und Wasserverbrauchs
Warum LoRaWAN auf der Baustelle?
LoRaWAN arbeitet in unlizenzierten Frequenzbändern, die kostenfrei genutzt werden können. Die Kommunikation erfolgt in regional unterschiedlichen Frequenzbereichen im ISM- und im SRD-Band – in Europa beispielsweise in den Bereichen 433,05 bis 434,79 und 863 bis 870 MHz.
Die Technologie kombiniert die Eigenschaften von Mobilfunk- und Wi-Fi-Verbindung – hohe Reichweiten, sichere Kommunikation und hohe Performance im Innenbereich – mit langen Batterielaufzeiten der Endgeräte. LoRaWAN bietet der Baubranche die Möglichkeit, unterschiedliche Tracking-, Lokalisations- oder Sensordatenerfassungslösungen zu integrieren.
Interview mit Nicolas Lemaire und Stephane Sisse
Baustellengeräte vernetzen mit LoRaWAN
Einsparpotenziale, Analysefunktionen, weitere Realisierungsmöglichkeiten – Nicolas Lemaire und Stephane Sisse geben Einblicke in das LoRaWAN Projekt bei Bouygues Construction Matériel.
Nicolas Lemaire Ist seit 15 Jahren in der Telekommunikationsbranche tätig und ist der CEO von Omniscient, einer Betriebsüberwachungsplattform für die Bauindustrie.
Stephane Sisse Ist Absolvent eines Ingenieursstudiums der Mathematik und eines MBA an einer Business School und ist aktuell als Sales Director bei Actility tätig.
Interview
1. Welches Ziel verfolgt Bouygues Construction Matériel mit der Integration von LoRaWAN-Sensoren?
Lemaire: Bei der Umsetzung von Bauprojekten sind eine Vielzahl an Mitarbeitern und Geräten oder Maschinen beteiligt. Große Mengen an Strom, Wasser und Baumaterialien werden verbraucht und die Unübersichtlichkeit von Baustellen erschwert die Zustandsüberwachung und Ortung der Maschinen. Bouygues Construction Matériel wollte eine Lösung entwickeln, die Transparenz in alle logistische Abläufe bringt, Geräte vor Diebstahl schützt und auch die Wartung erleichtert.
2. Wann startete das Technologie Konsortium das LoRaWAN Projekt?
Lemaire: Erste Gespräche mit allen drei Partnern begannen 2019. Anschließend folgte der Proof of Concept. Im Juni 2020 startete das Projekt dann offiziell. Anfang 2021 folgte der Go Live. Rund 3.000 Sensoren sind aktuell bereits installiert und bis Ende 2021 sollen insgesamt 10.000 Sensoren integriert werden.
3. Welche Vorteile erzeugt die Lösung und welche Einsparungspotenziale sehen Sie?
Sisse: Die Lösung bringt erhebliche operative und finanzielle Vorteile mit sich. Insgesamt werden jährlich rund fünf bis zehn Prozent an Wartungskosten eingespart. Zunächst wird der Rechnungsstellungsprozess stark vereinfacht, da alle Informationen – Geräte-Input und -Output sowie die Raten der Auslastungen – auf allen Baustellen erfasst werden. Ressourcen werden effizienter erkannt, da ungenutzte Baustellengeräte sofort einsatzbereit sind.
Lemaire: Außerdem wird die Einsatzzeit und die Wartungsintervalle der Geräte und Maschinen präzise dokumentiert.
Dadurch erfolgt der gezielte Einsatz des gesamten Maschinenparks. Sobald die erste Phase abgeschlossen ist und 20.000 Geräte angeschlossen sind, wird es im Durchschnitt etwa 70 verbundene Geräte pro Baustelle geben. Bei großen Projekten können es bis zu 300 sein.
Die nächste Herausforderung wird sein, die nächsten 50.000 kleineren Geräte anzuschließen. Geräte können bis zu zehn Jahre überdauern. Wir streben eine Batterielebensdauer von mindestens fünf Jahren für das Gerät an, sodass wir die Batterie nur einmal wechseln müssen. Der effiziente und exakte Überblick über den Gesamtbestand minimiert die Lagerbestände im Depot und reduziert so auch die Bestandskosten. Eine Verwaltung in Echtzeit gewährt schnelle Entscheidungsprozesse. Alle Informationen sind aktuell und sofort verfügbar. Die Arbeit des betroffenen Personals wird somit rationalisiert und wertvolle Arbeitszeit für andere Aufgaben wird frei.
Sisse: Basierend auf der Analyse und der Überwachung ist eine Echtzeit-Inventarisierung aller Geräte – egal ob diese auf der Baustelle eingesetzt werden oder sich noch im Lager an einem der Standorte befinden – möglich. Das ist eine kleine Revolution für operative Teams. Durch die Vernetzung von Baustellen und die Transparenz vor Ort, wird die Performance des gesamten Sektors erheblich optimiert.
4. Wie ist die Lösung konzipiert?
Sisse: Die Lösung kann sowohl im Innen- als auch im Außenbereich eingesetzt werden. Die eingesetzten Sensoren überdauern mehrere Jahre. Dadurch zahlt sich die Investition langfristig aus. Das multimodale Konzept ermöglicht die einfache Anpassung und Konfiguration für eine Vielzahl an Anwendungsfällen. Geräte in isolierten und mitunter schwierigen Umgebungen ebenfalls zu integrieren, wird durch die Vielzahl an Technologien gewährleistet. Beispielsweise bietet die LoRaWAN Technologie den Vorteil einer Energieautonomie über mehrere Jahre hinweg. Gleichzeitig wird eine bidirektionale Kommunikation und die hohe Durchdringungsfähigkeit in Gebäuden sowie in Kellerräumen realisiert.
5. Über welche Produkteigenschaften und Performance verfügen die Multitechnologie-Tracker?
Sisse: Die Multitechnologie- Tracker basieren auf einem extrem niedrigen Stromverbrauch und sind äußerst vielseitig einsetzbar. Der Tracker ist mit eingebetteten Sensoren – GPS, Low-Power-GPS, Wi-Fi-Sniffer, BLE und LoRaWAN TDoA-Geolokalisierungstechnologie – ausgestattet. Das Gerät bietet mehrere Betriebsmodi und ermöglicht die nahtlose Verfolgung von Objekten, das Überwachen von Aktivitätsraten und die Annäherungserkennung. Mit der Geozonenerkennung kann das Geräte in spezifische Zonen unterteilt werden. Positionsmeldungen können während des Start- und Endereignisses einer Bewegung empfangen werden. Der kompakte und robuste Formfaktor übersteht die rauen Umgebungsbedingungen auf einer Baustelle.
6. Die IoT-Plattform ist eine tragende Säule des Projekts. Bitte beschreiben Sie die Features dieser Plattform.
Lemaire: Die Entwickler der IoT-Plattform, Mitarbeiter von Omniscient, verfügen über jahrelange Expertise in der Bauindustrie. Das Hauptziel der Plattform: das gesamte Ökosystem einer Baustelle abbilden. Das wirkt sich auf die gesamte Produktivität aus. Dazu gehört das digitale Flottenmanagement – kleine Geräten, die manuell bedient werden genauso wie tonnenschwere Kräne.
Mit nur einem Klick können die Mitarbeiter auf einer virtuellen Karte navigieren. Der Standort jedes Geräts wird dabei in Echtzeit visualisiert. Die Echtzeiterfassung von Geolokalisierungs- und Aktivitätsdaten von Maschinen ermöglicht es uns, Bauprozesse in Echtzeit zu überwachen. Die Omniscient-Plattform bietet Projektmanagern ein einsatzbereites Dashboard, das Echtzeit Einblicke in ihr Projekt gibt, ihnen hilft, Engpässe im Prozess zu erkennen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, damit ihre Projekte den Zeitplan einhalten. Auch Gerätekonfigurationen vor Ort können damit gesteuert werden.
Sisse: Die wichtigste Kernfunktion und Innovation der Lösung ist jedoch die enorme Anpassungsfähigkeit. Denn die Kombination verschiedener Geolokalisierungstechnologien ermöglicht GPS in einer offenen Umgebung und Wi-Fi Sniffing zwischen Gebäuden zu nutzen. Mit BLE wird die Umgebung gescannt und andere Kleingeräte, die ebenfalls mit BLE gekennzeichnet sind, werden erkannt.
7. Die Funktionen der IoT-Plattform haben Sie interessant verdeutlicht. Können Sie die Analysefunktionen erläutern?
Lemaire: Die eigens entwickelte Algorithmen ermöglichen und vereinfachen zahlreiche Analysefunktionen. Zum Beispiel werden die von den Sensoren gesammelten Daten genutzt, um Leistungsindikatoren für das Flottenmanagement exakt zu berechnen und zu evaluieren. Dazu zählen unter anderem Anzahl der Umschläge, Geräteauslastung, die Bestandsaufnahme nach technischer Basis, sowie die Bestandsaufnahme nach Standort und nach Anzahl der abrechenbaren Tagen.
8. Zum Schluss noch eine Frage nach der Vision: Welche Perspektiven und Realisierungsmöglichkeiten von Wireless-IoT-Technologien sehen Sie zudem noch im Bauwesen?
Lemaire: Die Kooperationen unserer drei Unternehmen bietet noch weiteres Potenzial. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten für zusätzliche Lösungen zur Effizienzsteigerungen. Darunter Messung der Maschinenproduktivität, Optimierungen von Fahrten oder auch die erhöhte Sicherheit des Personals. Nehmen wir das Beispiel Arbeitssicherheit. Die installierten Sensoren können bestimmte Zonen und Bereiche einteilen und in Echtzeit überwachen. Somit kann das Personal über das nachgeschaltete System gewarnt werden, falls sie kurz davor stehen gesperrte Bereiche zu betreten oder wenn die Belegungsdichte des Personals in diesem Bereich zu hoch ist. Letzteres Konzept ist insbesondere für Social Distancing Maßnahmen von essentieller Bedeutung und derzeit umso stärker gefragt. Die konfigurierbaren Warnungen bieten zusätzliche Handlungsmöglichkeiten und Sicherheitsmaßnahmen für den Personaleinsatz auf Baustellen.