Balluffs Lösungen passen wie ein Schlüssel ins Schloss
Roman Vracko ist Product Cluster Manager Vision bei Balluff. Im Interview erklärt er, wie die industrielle Bildverarbeitung vor allem bei komplexen Aufgaben ihre Stärke zeigt und warum maßgeschneiderte Lösungen in der Kameratechnik so wichtig sind.
Herr Vracko, die industrielle Bildverarbeitung prägt zunehmend die Automatisierung von Fertigungsprozessen. Wann ist der Einsatz kamerabasierter Sensorik sinnvoll?
Wenn andere Sensoren an ihre Grenzen geraten (lacht). Ein typisches Beispiel für klassische Bildverarbeitungsanwendungen ist die optische Qualitätskontrolle. Diese gibt unter anderem Auskunft, ob alle Baugruppen korrekt montiert sind oder Beschädigungen auf einer Oberfläche vorhanden sind.
Optische Messungen der Entfernung, Form oder Größe sind ein weiteres wichtiges Feld. Zusammengefasst lässt sich sagen: Vision Systeme zeigen vor allem bei komplexen Aufgaben ihre Stärke – wenn ich also mehrere Parameter wie beispielsweise Farbe, Mustererkennung und Abstand von Bohrlöchern zeitgleich und effizient erfassen möchte.
In welchen Branchen kommt dies besonders häufig vor?
Zu den wichtigsten Industrien für industrielle Bildverarbeitung zählen die Medizintechnik, Life Science, der Pharmabereich, Packaging, Food & Beverage, die Halbleiter-Industrie sowie die (Intra-)Logistik. Bei Balluff haben wir im Machine Vision aber auch bereits in nicht industriellen Bereichen wie mit der Sport- oder Diamantenindustrie zusammengearbeitet, doch das sind Ausnahmen. Fest steht: Die Anwendungsfelder sind vielfältig.
Wie verändern Künstliche Intelligenz und Machine Learning den Bereich Machine Vision?
Künstliche Intelligenz (KI) und Machine Learning haben einen erheblichen Einfluss auf den Bereich Machine Vision. KI gestützte Algorithmen können Bilder effizienter analysieren und verarbeiten. Sie sind in der Lage, Muster und Anomalien zu erkennen, die für den Menschen und für klassische Bildverarbeitungsalgorithmen schwer zu identifizieren sind.
Somit können viele Aufgaben in der Bildverarbeitung automatisiert werden, was die Effizienz erhöht, und menschliche Fehler reduziert. Dies ist besonders nützlich in der Fertigung und Qualitätskontrolle. Machine Learning Modelle können aus neuen Daten lernen und sich an veränderte Bedingungen anpassen. Das erhöht die Flexibilität und Genauigkeit von Machine-Vision-Systemen.
Im vergangenen Herbst wurde die Matrix Vision GmbH als Anbieter von Bildverarbeitungskomponenten zur Balluff MV GmbH umfirmiert. Welche Rolle spielt industrielle Bildverarbeitung im Balluff Portfolio?
Eine sehr große. Die Anfänge der industriellen Bildverarbeitung liegen in den 1970ern. Seit beinahe 40 Jahren beschäftigt sich Matrix Vision mit der Thematik – nicht zuletzt seit der rechnergestützten Auswertung von Bildinformationen. Es folgte die Einführung der Standardschnittstellen USB und Gigabit Ethernet, welche die Übertragung von Bildsignalen in Echtzeit ermöglichte.
Die Entwicklung von Smart Kameras, die bewusst einfacher gehalten wurden, machte auch die Konfiguration für den Endanwender deutlich einfacher – und so entstand der Kontakt zwischen Matrix Vision und Balluff. Seit 2017 ergänzt Matrix Vision die Balluff Gruppe auf dem Gebiet der kamerabasierten Sensorik, seit der Umfirmierung vereinen wir nun unsere Kompetenzen unter einem Markendach. Das Ziel: die gemeinsamen Produkte auch international weiter ausbauen und positionieren.
Welche Produkte und Lösungen sind das konkret?
Da sind zum einen die sogenannten embedded Modulkameras mit USB-Schnittstelle, die nicht nur klein und kompakt sind, sondern auch wenig Energie verbrauchen. Vor allem in der medizinischen Diagnostik oder in der Vermessungstechnik sehen wir einen zunehmenden Trend in Richtung Handheld-Geräte, die jeder Mitarbeitende einfach bedienen kann. Für den Einsatz im harschen industriellen Umfeld bieten sich doe robusteren Gigabit-Ethernet-Kameras an.
Bei GigE Vision handelt es sich um einen 2006 veröffentlichten Schnittstellenstandard, in dessen Standardisierungskomitee Balluff Mitglied ist – und ihn deshalb aktiv mitgestaltet. Und zuletzt bieten Kameras mit der PCI (Peripheral Component Interconnect) -Express-Schnittstelle Anwendern den höchsten Datendurchsatz und die größte Leistungsfähigkeit. Welche Lösung zu welchem industriellen Anwendungsfall passt, ist immer eine individuelle Entscheidung.
Stichwort: Individuell. Warum sind maßgeschneiderte Lösungen in der Kameratechnik so wichtig?
Sie sind so wichtig, weil die Anwendungen so unterschiedlich sind. Bei manchen Anwendungen ist der geringe Platz das ausschlaggebende Kriterium, bei anderen der Energieverbrauch oder spezielle logistische Umgebungsbedingungen. Befindet sich die Kamera im Freien, dann muss sie jedem Wetter trotzen können; im Dermatoskop eines Hautarztes muss sie eine besonders gute Farbwiedergabe haben. Hier stellt sich die Frage: Wie kann der jeweilige individuelle Anwendungsfall optimiert werden? Und welche Komponenten müssen dafür eventuell modifiziert werden?
Wie unterstützt Balluff seine Kunden bei diesen Herausforderungen?
Bei Balluff stehen wir mit beiden Beinen fest auf einem technologischen Fundament – unseren Standardprodukten. Diese können wir in gewissem Maße flexibel anpassen, wenn der Kunde zum Beispiel eine spezielle Bauform oder Schnittstelle benötigt.
Wir wollen die Anwendung des Kunden verstehen, ihn ganzheitlich beraten und gemeinsam die optimale Lösung finden. Hier hilft uns unsere große Expertise in diesem Bereich. Mit unserem Geschäftsbereich Custom Design & Engineering (CDE) gehen wir deshalb noch einen Schritt weiter und bieten für Kameraprodukte kundenspezifische Anpassungen und Sonderentwicklungen aus einer Hand – von der Produktidee bis zur Realisierung.
Wie sieht das aus?
In der ersten Stufe nehmen wir eine Modifikation beziehungsweise Konfiguration vor, bei der wir bereits bestehende Lösungen neu miteinander kombinieren. Reicht das nicht aus, treten wir gemeinsam mit dem Kunden in eine Entwicklungspartnerschaft – an deren Ende oftmals ein individualisiertes Produkt steht. Dieses passt dann für den jeweiligen Anwendungsfall wie ein Schlüssel ins Schloss.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?
Ein Beispiel aus der Forschung: Als Partner haben wir in einem vom BMEL (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) geförderten Projekt zusammen mit dem Fraunhofer IVV (Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung) eine Kamera für die automatisierte Tankreinigung entwickelt, die spezielle Anforderungen hinsichtlich Mechanik, Energieverbrauch und Interface erfüllt.
Über Künstliche Intelligenz haben wir ja bereits gesprochen. Welche weiteren Themen beschäftigen die Anwender aktuell?
Für viele unserer Kunden ist ein erweitertes Wellenlängenspektrum von steigender Bedeutung. Unsere Antwort: unsere UV-Kameras oder neuen Industriekameras mit Short-Wave-Infrared-Technologie-Sensoren, kurz SWIR, die den kurzwelligen Infrarotbereich nutzen. Ein weiteres Thema: die Verarbeitung von 3D-Bildern.
Sie ermöglicht eine räumliche 3D-Darstellung, die eine automatisierte Entscheidungsfindung auf der Grundlage der Position, Größe und Ausrichtung eines Objekts gestattet. Und dann ist da natürlich noch der Preisdruck, der zurzeit die gesamte Branche beschäftigt. Hierauf reagieren wir mit unserem neuen Kamerakonzept „Automation Ready“, das wir bei der kommenden VISION vorstellen werden.