- E-Thread ist ein in Garn integriertes UHF-RFID-Tag, das direkt in Textilien eingebettet wird.
- Die Technologie widersteht industriellen Waschzyklen, Hitze, chemischer Belastung und mechanischem Verschleiß.
- RFID-Daten werden im Backend gespeichert, während das Garn eine stabile Serien-ID (EPC) trägt.
- Der Einsatz von E-Thread verbessert Bestandsgenauigkeit, reduziert Schwund und ermöglicht Fälschungsschutz.
- E-Thread erfüllt Anforderungen des Digital Product Passports (DPP) und unterstützt nachhaltiges Recycling.
Die Integration von RFID in ERP-Systeme verändert die Textil- und Bekleidungsindustrie. Das zeigt das Kundenbeispiel „The Compass” aus Nordportugal.
Drei Perspektiven, ein Ziel: Textilien intelligent machen. In diesem Interview diskutieren Nuno Lopes, RFID-Experte beim portugiesischen Automatisierungsspezialisten Accurex, Carlos Miguel Gonçalves, Mitinhaber von MacWin-Tek, ERP/Software für die Bekleidungsindustrie, und Valériane Henry von Primo1D, wie E-Thread – ein in Garn integriertes UHF-RFID-Tag – Bestände genauer, Prozesse schneller und Produkte recycelbar macht.
Praktische Erfahrungen aus Portugal, Technologie aus Frankreich
Zwei Stimmen aus Portugal vertreten die Bereiche Fertigung und IT. Nuno Lopes vertritt die Perspektive der Automatisierung und Systemintegration und zeigt, wie RFID in Produktionslinien, Lagern und in der Qualitätssicherung eingesetzt wird.
Carlos Miguel Gonçalves ergänzt die ERP/WMS-Perspektive von MacWin-Tek und erläutert dabei Stammdaten, Seriennummern, Wareneingang, Bestandsaufnahme und Analytik.
Als Technologieanbieter erklärt Valériane Henry von Primo1D, wie integriertes RFID-Garn funktioniert, welche typischen Installationspunkte im Produkt verwendet werden und welche Auswirkungen dies auf Lebenszyklus, Service und Recycling hat.
E-Thread: Unsichtbare Identität, robuste Eignung für den industriellen Einsatz
„Mit E-Thread von Primo1D kann die Produktidentität direkt in das Textil eingebettet werden – unsichtbar und manipulationssicher“, erklärt Valériane Henry.
Der Tag ist je nach Ausführung für bis zu 100 bis 200 industrielle Waschgänge ausgelegt, bleibt dauerhaft am Produkt befestigt und liefert die Datenbasis, die Reparatur und Recycling vereinfacht. Die Technologie widersteht Waschen, Hitze, Färbchemikalien und mechanischer Beanspruchung, hält Temperaturen von bis zu etwa 200 °C stand und erreicht je nach Umgebung und Antennen Lesereichweiten von bis zu etwa 12 Metern.
Technologisch ist E-Thread durch 30 internationale Patente geschützt. Jeder Tag wird im Werk in der Region Auvergne-Rhône-Alpes unter Verwendung von Textilvorprodukten aus Partnerwebereien derselben Region montiert, beschichtet und integriert.
Was ist das RFID-Garn von Primo1D?
Das RFID-Garn von Primo1D ist kein „aufgeklebter” Transponder in neuer Gestalt, sondern ein echter Textilträger, in den ein UHF/RAIN-RFID-Modul technisch so eingebettet ist, dass es wie normales Garn verarbeitet werden kann.
Das System besteht im Kern aus einem Mikrochip (EPC Gen2/ISO 18000-63-kompatibel) und einer sehr schlanken Antennenstruktur aus leitfähigem Material. Diese Baugruppe wird mit mikromechanischer Technologie gekapselt und in einen fadenförmigen Verbundstoff integriert.
Das Ergebnis: ein dünner, flexibler „Garnabschnitt“, der unsichtbar und manipulationssicher in Nähte, Kanten, Einfassungen oder sogar gewebte/gestrickte Strukturen eingefügt werden kann.
Das HF-Design ist für das UHF-Band (ca. 860–960 MHz) optimiert. Da der Faden in realen Textilien mit sehr unterschiedlichen Umgebungen zurechtkommen muss (Baumwolle, Synthetik, Feuchtigkeit, Körpernähe, Metallteile), ist die Antenne so konstruiert, dass sie Verstimmungen so robust wie möglich ausgleicht. In der Praxis ermöglicht dies eine Lesereichweite von mehreren Metern bis zu zweistelligen Entfernungen.
Auf der Daten-/Sicherheitsseite funktioniert das Garn wie ein Standard-UHF-Tag: Es trägt eine EPC-Serien-ID (plus TID), einen optionalen Benutzerspeicher und unterstützt die Schutzmechanismen des Standards, wie z. B. Zugriffs-/Kill-Passwörter oder Sperrzustände. So können Datenschutzanforderungen (z. B. für Luxusartikel) erfüllt werden, ohne dass die Funktion für Rückgaben, Garantie oder den Digital Product Passport (DPP) verloren geht.
Die Produktdaten selbst werden nicht auf dem Faden gespeichert, sondern im Backend – der EPC dient als stabile Produkt-ID/Zeiger während des gesamten Lebenszyklus.
Die mechanische und chemische Beständigkeit ist ein entscheidender Unterschied zu Etiketten oder eingenähten Inlays. Eingebettet in einen Textilverbundstoff und gekapselt, hält der Faden oft mehr als 100 Haushaltswäschen, Hitze (Verarbeitungs- und Bügeltemperaturen, in industriellen Zyklen manchmal weit darüber) und chemischen Belastungen (z. B. Färben, Waschlauge) stand.
Da die Identität früh im Herstellungsprozess zugewiesen wird – oft vor dem Zuschnitt und der Montage – begleitet sie das Produkt durch alle Prozessschritte: Herstellung, Weiterverarbeitung durch Dritte, Warenausgang, Wareneingang, Lager, Filiale, Service, Wiederverkauf und Recycling.
Innovative Textiltechnologie
Aus technologischer Sicht kombiniert E-Thread HF-Design, Mikroelektronik und Textiltechnologie in einer einzigen, verarbeitbaren Komponente.
Das Ergebnis ist eine permanente, serielle Produktidentität, die unsichtbar in die Waren eingebettet ist, logistische Effizienz (Zählung, Inventur, Umlaufkontrolle), Schutzfunktionen (Fälschungsschutz/EAS-Kopplung) und Recyclingfähigkeit (DPP-Bereitschaft, Reparatur, Wiederverwendung, Sortierung) – ohne das Design und die Tragbarkeit des Textils zu beeinträchtigen.
Prinzip und Alleinstellungsmerkmale
Im Gegensatz zu Etiketten, Anhängeetiketten oder aufgenähten Transpondern ist E-Thread vollständig in das Textil integriert – beispielsweise in Nähten und Kanten – und erhält zu Beginn der Produktion eine serielle Identität.
Die Technologie ist prozessstabil: Sie widersteht Waschen, Hitze, Färbchemikalien und mechanischer Beanspruchung, hält Temperaturen von bis zu ca. 200 °C stand und erreicht je nach Umgebung und Antennen Lesereichweiten von bis zu ca. 12 m. Damit schafft sie eine frühzeitige, dauerhafte Identität als Grundlage für DPP-Szenarien, Service und Wiederverkauf.
Branchen und Anwendungsbereiche
Im Mode- und Sportbereich erhöht E-Thread die Bestandsgenauigkeit, reduziert Schwund und ermöglicht Fälschungsschutz; Luxusmarken schätzen die unsichtbare, manipulationssichere Kennzeichnung. Bei Arbeitskleidung und PSA – oft in Leasing- und Mietmodellen – ermöglicht das Garn eine robuste Lebenszyklusverfolgung von Waschzyklen, Inspektionsintervallen, Ausgabe und Rückgabe sowie eine transparente Kostenverteilung pro Nutzung.
Krankenhäuser und Kliniken nutzen es für eine robuste Wäscheverfolgung, um Schwund zu reduzieren und die Hygienekette zu überprüfen. Hotels, Kreuzfahrtgesellschaften und Caterer verwenden E-Thread, um ihre Bettwäsche- und Handtuchzyklen in Echtzeit zu verwalten und Rechnungen genau zu überprüfen. In der Industrie eröffnen technische Textilien wie Hebegurte, Netze, Seile, Filter, Airbags, Innenraumtextilien und Verbundwerkstoffe neue Szenarien für Rückverfolgbarkeit und Haftungssicherheit.
Für Schuhe und Outdoor-Ausrüstung werden Serien- und Größenverfolgung, Garantien und Miet-/Testpools unterstützt. In der Logistik und im Fulfillment beschleunigt E-Thread den Wareneingang, reduziert Verpackungsfehler und ermöglicht schnelle Zykluszählungen ohne Sichtkontakt.
Während des gesamten Zyklus erleichtert die eindeutige Identifizierung die automatische Artikelerkennung, die Erfüllung von DPP-Verpflichtungen sowie eine verbesserte Sortierqualität und -geschwindigkeit.
Kundenbeispiel: „The Compass” aus Nordportugal
Dieser Anwendungsfall aus der Praxis zeigt die End-to-End-Kette vom Rohmaterial bis zum Laden: Die EPC-Codierung beginnt zu Beginn der Produktion. Die serielle Identität begleitet den Zuschnitt und die Montage sowie den Warenausgang beim Hersteller.
Die Marke überprüft den Wareneingang innerhalb von Minuten per RFID, bucht ihn automatisch im WMS/ERP, verteilt ihn weiter an das Zentrallager und die Filialen und gewährleistet die lückenlose Rückverfolgbarkeit. Typische Fehler, wie z. B. verwechselte Größen, können vermieden werden, da die Identität bereits im Stoff eingebettet ist.
Erstaunliche Effekte
Die Auswirkungen sind bei großen Chargen messbar: Der Aufwand pro 1.000 Stück sinkt von rund 40 auf 5 Minuten – eine Zeitersparnis von rund 87 Prozent. Das Programm startete mit 500.000 Tags in einer schrittweisen Einführung; innerhalb eines Semesters waren rund 50 Prozent davon im produktiven Einsatz. Das Ziel sind fünf Millionen Tags. Der Hersteller beliefert mehrere Marken, sodass Primo1D mit einem steigenden Interesse anderer Marken rechnet.
Höhere Prozesssicherheit vom ersten Schritt an
Für Textilhersteller bietet ein in das Garn integrierter RFID-Faden vor allem Sicherheit und Geschwindigkeit von Beginn der Produktion an. Da die Serienidentität bereits in das Rohtextil eingebettet ist, können Zuschnitt, Konfektion und Arbeitsschritte bei Zulieferern lückenlos überprüft werden. Verwechselte Größen, falsche Zuordnungen oder fehlende Teile fallen sofort auf – das reduziert Ausschuss, Nacharbeit und Reklamationen.
Die Warenausgabe und -annahme erfolgt per RFID in wenigen Minuten statt in Stunden; große Chargen müssen nicht mehr manuell gezählt werden. Die Bestände sind nahezu in Echtzeit sichtbar, Zykluszählungen laufen im Hintergrund – der Warenfluss wird spürbar schneller und stabiler.
Rückverfolgbarkeit
Die durchgehende Seriennummer schafft eine konsistente Lieferkette – vom Rohstoff über Drittveredler bis zur Übergabe an die Marke. Rückrufe können gezielt auf Chargen und Serien beschränkt werden, Verpackungsfehler und Schwund werden messbar reduziert und die Abrechnung mit Marken und Logistikpartnern wird sauberer.
Technologie, Daten und Datenschutz
Der Codierungsprozess beginnt zu Produktionsbeginn: Bestellungen (z. B. „300 T-Shirts, Größe M“) sind in der Software sichtbar, EPCs werden generiert und vor dem Einlegen den integrierten Tags zugewiesen. Der Tag enthält standardmäßig eine technische Kennung – insbesondere den Electronic Product Code (EPC) und die Chip-TID; optionale Benutzerspeicherfelder werden nur bei Bedarf genutzt.
Personenbezogene Daten werden nicht auf dem Tag gespeichert; die persönliche Referenz wird ausschließlich im Backend erstellt, wenn ein Unternehmen die Produkt-ID mit Kundendaten verknüpft. Transparenz und Einwilligung sind Teil der Kommunikation zum Produkt (Hinweis/Etikett/FAQ). Schutzfunktionen wie Kill oder Lock gemäß EPC Gen2/ISO 18000-63 ermöglichen die Deaktivierung oder Zugriffsbeschränkung per Passwort.
In Luxusszenarien wird häufig Privacy Lock eingesetzt, um Funktionen wie Garantie/Rückgabe aufrechtzuerhalten und unbefugte Auslesungen zu verhindern.
Stellungnahme zum DPP: aktiv halten statt deaktivieren
Mit EPC als stabiler Produkt-ID ist E-Thread grundsätzlich DPP-kompatibel. Mit RFID-Garn erfüllen Hersteller die Anforderungen für den zukünftigen digitalen Produktpass, ohne am Ende neu etikettieren zu müssen.
DPP-Informationen (Materialien, Reparaturen, Nachhaltigkeitsdaten) werden im Backend oder über GS1 Digital Link/EPCIS bereitgestellt. Da Textilien später als Batterien und Elektrogeräte reguliert werden, ist der Zeitplan gestaffelt. Unabhängig davon sollte der Tag nicht deaktiviert werden: Er muss für Reparaturen, Wiederverwendung und Recycling offline lesbar bleiben; eine dauerhafte Deaktivierung würde wichtige Kreislauffunktionen untergraben.
Umwelt und Recycling
Tests haben gezeigt, dass mindestens 100 Standard-Haushaltswäschen möglich sind. Oft nutzt sich der Stoff schneller ab als das Garn. Die tatsächliche Haltbarkeit hängt vom jeweiligen Herstellungsprozess ab – beispielsweise davon, ob der Chip vor dem Färben oder Bedrucken integriert wird und welche Chemikalien und Temperaturen verwendet werden.
Das Ökoprofil ist günstig: Der LCA-Wert für das Etikett liegt bei etwa 9 g CO₂e. Im Vergleich zu etwa 9 kg CO₂e für ein T-Shirt ist dieser Anteil vernachlässigbar. In Projekten – unter anderem mit Decathlon – wurden T-Shirts mit eingebettetem E-Thread zu Recyclinggarn verarbeitet; die metallische Masse des Etiketts beeinträchtigte den Prozess nicht. Gleichzeitig werden Verbesserungen im Bereich Ökodesign integriert.
Das Ziel ist es, so wenig Material wie möglich zu verwenden und gleichzeitig eine hohe Leistung und Haltbarkeit zu gewährleisten.
Wirtschaftliche Effizienz
Viele Marken arbeiten mit mehreren Produktionspartnern in Portugal, Nordafrika oder Spanien zusammen. Wenn ein Hersteller die Vorteile von RFID demonstriert, wird dies oft auf andere Partner ausgeweitet. Wer die Kosten trägt, ist unterschiedlich: Heute ist es oft der Hersteller – insbesondere im Premium-/Luxussektor, wo Effizienzgewinne sofort sichtbar sind.
Mit zunehmender Reife liefern Marken den Herstellern zunehmend vorgefertigte Tags, ähnlich wie bei herkömmlichen Etiketten. Bei sehr kostengünstigen Artikeln bleibt die Integration eine Frage der Wirtschaftlichkeit. Entscheidende Faktoren sind Prozessgewinne (Wareneingang, Lagerbestand, Fehlerquoten, Schwund) und die Möglichkeit, gesetzliche Anforderungen wie die DPP zu erfüllen.
Die Partner im Portrait
Über Primo1D
Primo1D wurde 2013 in Grenoble als Spin-off des Forschungsinstituts CEA-Leti gegründet. Das Unternehmen hat die dort entwickelte E-Thread-Technologie industrialisiert.
Über Macwin
MacWin fokussiert sich auf die Entwicklung spezifischer ERP-Softwarelösungen (Enterprise Resource Planning) sowie auf die Bereitstellung hochwertiger, spezialisierter IT-Dienstleistungen. Das Unternehmen ist in der Textil- und Bekleidungsindustrie (ITV) entstanden und dort gewachsen. Seit 1998 bildet die ITV den Kernbereich der Geschäftstätigkeit. In diesem Segment ist MacWin sowohl hinsichtlich der Größe und Anzahl der umgesetzten Projekte als auch hinsichtlich der Vielfalt der angebotenen Lösungen am stärksten vertreten.
Ein zentraler Lösungsbaustein ist die Integration von RFID in das ERP-System entlang des gesamten ITV-Produktionsprozesses. Dieses Projekt ist in TEXP@CT eingebunden, das von der Europäischen Union/NextGeneration EU finanziert wird, und wird derzeit ausschließlich durch den Einsatz von E-Thread umgesetzt.
Über Accurex
Accurex ist auf RFID-Technologien spezialisiert und bietet ein breites Portfolio an Tags, Lesegeräten, Antennen und Druckern für LF, HF/NFC und UHF. Neben Hardware entwickelt das Unternehmen maßgeschneiderte, schlüsselfertige RFID-Lösungen – allein oder mit Systemintegratoren – zur Automatisierung, besseren Rückverfolgbarkeit und höheren Prozesseffizienz.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Bekleidungs- und Textilindustrie: Accurex unterstützt Händler, Hersteller, Uniformmanager und industrielle Wäschereien mit Lösungen für Verfolgung auf Artikelebene, genaue Bestandszählungen, weniger Schwund und optimierte Logistik. Robust ausgelegte Tags und Lesesysteme kommen zudem in Logistik und Industrieumgebungen zum Einsatz.
Accurex liefert nicht nur Technologie, sondern begleitet Projekte von der Planung bis zur Umsetzung – mit Fokus auf nahtlos integrierte RFID-Systeme, die messbaren Geschäftswert schaffen.