Energy Harvesting – Nachhaltige Energie für das IoT

Strom aus der Umgebung: So versorgen sich IoT-Geräte mit Licht, Wärme oder Funkwellen selbst

18. Juni 2025 · 6 min
Technologie Energy Harvesting – Nachhaltige Energie für das IoT
Worum geht es

In einer Welt, die zunehmend von vernetzten Geräten und intelligenten Systemen geprägt ist, wächst der Bedarf an zuverlässigen, nachhaltigen und wartungsfreien Energiequellen. Energy Harvesting – auch als Energiegewinnung aus der Umgebung bekannt – bietet einen wegweisenden Ansatz: Es ermöglicht elektronischen Geräten, durch die Umwandlung von Umgebungsenergie wie Licht, Wärme, Bewegung oder Funkwellen in elektrische Energie zu funktionieren.

Von winzigen IoT-Sensoren über Smart Wearables bis hin zu industriellen Überwachungssystemen: Energy Harvesting ebnet den Weg für eine neue Generation selbstversorgender Elektronik, die ohne häufige Batteriewechsel oder Verkabelung auch an schwer zugänglichen Orten betrieben werden kann.

Der Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand der Technik, reale Anwendungsbeispiele, Marktentwicklungen und bestehende Herausforderungen.

1. Status Quo

Energy Harvesting heute

Der Bedarf an energieautarken IoT-Geräten steigt rasant. Bei Milliarden im Einsatz befindlicher Sensoren stoßen Batterien und Netzanschlüsse zunehmend an ihre Grenzen – hinsichtlich Wartung, Kosten und Umweltauswirkungen. Die meisten Batterien sind aufgrund ihrer begrenzten Lebensdauer, toxischen Materialien und schwierigen Recyclingfähigkeit nicht nachhaltig. Dennoch gibt es vielversprechende Entwicklungen, wie etwa umweltfreundliche Druckbatterien.

Ein Beispiel ist Zinergy, ein führender Hersteller flexibler, gedruckter, lithiumfreier Batterien für smarte Etiketten, Wearables und Tags. Diese Batterien sind sicher, leicht, und können im Hausmüll entsorgt werden. Sie sind robust gegenüber Schnitten, Einstichen oder Rissen und benötigen keine besonderen Transportvorschriften. Sie unterstützen Technologien wie RFID, Bluetooth™, Sigfox, LoRa, LTE und versorgen zahlreiche Umweltsensoren für Temperatur, Feuchtigkeit, Bewegung und Licht.

Doch selbst mit solchen Fortschritten richtet sich der Blick der Industrie zunehmend auf Energy Harvesting – als wartungsfreie und nachhaltige Alternative, besonders dort, wo ein Batteriewechsel kaum praktikabel ist.

Schlüssel zu dieser Entwicklung ist der sinkende Energiebedarf moderner Sensoren und Mikrocontroller. Viele arbeiten heute im Mikrowatt-Bereich, sodass Umgebungsenergie wie Licht oder RF-Signale ausreichen, um Sensordaten zu erfassen, zu verarbeiten und drahtlos zu übermitteln – oft in Kombination mit Superkondensatoren oder Dünnschichtbatterien zur Energiespeicherung.

Anja Van Bocxlaer, Think WIoT
Anja Van Bocxlaer Managing Director, Think WIoT

Aktuell besonders relevante Energiequellen:

  • Licht (Photovoltaik)
  • Funkwellen (RF)
  • Temperaturdifferenzen (Thermoelektrik)
  • Mechanische Bewegung/Vibration (Piezoelektrik)

Im Folgenden liegt der Fokus auf den zwei vielversprechendsten Methoden: Photovoltaik und RF Energy Harvesting.


Photovoltaik – Energie aus Licht

Photovoltaik ist die ausgereifteste Form der Energiegewinnung aus der Umgebung. Dabei wird natürliches oder künstliches Licht in Strom umgewandelt. Während klassische Siliziumzellen unter direktem Sonnenlicht effizient arbeiten, sind sie für den Innenbereich ungeeignet. Organische Photovoltaik (OPV) hingegen ist ideal für niedrige Lichtverhältnisse geeignet, etwa in Büros, Lagerhallen oder Krankenhäusern.

OPV-Zellen sind dünn, leicht und flexibel – und können auf Etiketten, Verpackungen oder gekrümmte Oberflächen gedruckt werden.

RF Energy Harvesting – Energie aus Funkwellen

Funkwellen von WLAN-Routern, RFID-Lesegeräten oder Mobiltelefonen können ebenfalls in Strom umgewandelt werden. Zwar ist die Energiedichte geringer als bei Licht, doch RF hat klare Vorteile:

  • Funktioniert auch im Dunkeln
  • Einsatz in geschlossenen Behältern oder Verpackungen
  • Ideal in logistischen Knotenpunkten mit hohem RF-Signalaufkommen

RF-Systeme nutzen sogenannte Rectennas (Antennen + Gleichrichter), um Wechselstromsignale in Gleichstrom umzuwandeln. Besonders geeignet für passive Geräte, die nur gelegentlich Energie für Datenübertragung oder Wake-up benötigen.

2. In der Praxis

Wo Energy Harvesting bereits funktioniert

1. Industrielle Kontrolle

Maschinendiagnose, Temperatur- oder Vibrationsüberwachung mit drahtlosen Sensoren, die durch Vibration oder Wärme betrieben werden – ideal für Predictive Maintenance und Infrastrukturmanagement.

2. Smart Homes und Gebäudeautomation

EnOcean-Technologie nutzt Bewegung oder Raumlicht für batterielose Schalter und Sensoren. Diese sind heute Standard in vielen Smart-Building-Systemen.

Lesetipp: 

Die Zukunft der Gebäude: Lichtbetriebene Sensoren ohne Batteriewechsel - Interview mit Roelof Koopmans

Stellen Sie sich ein smartes Gebäude vor, in dem nie wieder Batterien gewechselt werden müssen – in dem Umgebungslicht das gesamte System mit Energie versorgt. Keine teuren Wartungseinsätze, kein Batterieabfall – nur nahtlos integrierte IoT-Sensoren, die vom Licht um Sie herum betrieben werden.

Das ist keine Science-Fiction – sondern heute schon Realität dank Lichtenergiegewinnung, insbesondere durch organische Photovoltaik (OPV)-Sensoren.

Egal ob groß oder klein, öffentlich oder privat – jedes Gebäude kann mit OPV-Technologie ausgestattet werden und sich so in einen „lebendigen“, datenproduzierenden Ort verwandeln, der die Vorteile von Zustandsüberwachung (Condition Monitoring) nutzt.

The Future of Buildings: Light-Powered Sensors With No Battery Changes! (Install Once, Zero Maintenance)

3. Medizin und Wearables

Körperwärme, Bewegung oder Licht versorgen tragbare Geräte zur Gesundheitsüberwachung – auch bei Implantaten oder Hautpflastern, wo Batterien problematisch sind.

4. Landwirtschaft und Umweltmonitoring

Sensoren für Bodenfeuchte, Temperatur oder Pflanzengesundheit werden in abgelegenen Feldern durch Sonnenlicht oder Vibration mit Energie versorgt – ohne Wartungsaufwand.

5. Logistik und Supply Chain

RFID-Tracker mit zusätzlichem RF Energy Harvesting ermöglichen Umgebungsdatenlogging auf der gesamten Lieferkette. 

Artikel auf Think WIoT

On-Demand-Video – IoT & Energieautarkie

🎥 Think WIOT Day 01-2025 – Smarte Logistik & IoT
📅 Aufzeichnung vom 26. März 2025

Jerôme Vernet von Dracula Technologies und Michael Beutler von truvami beleuchten das Potenzial von Licht als nachhaltige Energiequelle für das IoT. Sie zeigen, wie selbst diffuses Raumlicht zur Energiegewinnung genutzt werden kann – und wie dies die Entwicklung energieautarker, smarter Etiketten ermöglicht.

Diese Labels revolutionieren das Asset Tracking, da sie keine Batterien benötigen und wartungsfrei betrieben werden können.

Die Session liefert sowohl technologische Einblicke als auch praxisnahe Anwendungsbeispiele und zeigt, wie lichtbetriebene IoT-Lösungen die Effizienz in Logistik- und Industrieumgebungen steigern können.

Vernet und Beutler über Licht als Energiequelle und Etiketten als intelligente Innovation
Vernet und Beutler über Licht als Energiequelle und Etiketten als intelligente Innovation

Weitere Artikel

3. Panorama

Markt, Akteure und Herausforderungen

Der Markt wächst – Prognose: über 800 Mio. USD bis 2030

Treiber sind Smart Cities, Industrie 4.0, Nachhaltigkeit und Energieautonomie.

Herausforderungen:

  • Begrenzte Energiedichte bei schwacher Umgebung
  • Speichertechnologie (Effizienz, Lebensdauer, Größe)
  • Kosten bei kleinen Stückzahlen höher als Batterielösungen
  • Fehlende Standardisierung, besonders bei RF-Systemen

Doch: Fortschritte in Miniaturisierung und Energiemanagement senken die Eintrittshürden.

4. Fazit

Energieautarkie als Schlüssel für ein nachhaltiges IoT

Energy Harvesting ist keine Zukunftsvision mehr – sondern ein zentraler Bestandteil moderner IoT-Systeme. In einer Welt, in der Milliarden Geräte vernetzt, effizient und autonom arbeiten sollen, bietet die Nutzung von Umgebungsenergie eine echte Antwort auf Skalierbarkeit, Nachhaltigkeit und Lebenszykluskosten.

Der Weg in die Zukunft liegt nicht nur in der Intelligenz unserer Geräte, sondern in ihrer Unabhängigkeit von Batterien und Stromanschlüssen. Energy Harvesting ist ein zentrales Element für ein nachhaltiges, wartungsfreies Internet der Dinge.

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