Wie Biosensor-Diagnostik die schnelle Erkennung resistenter Erreger ermöglicht

Resistenzen gegen antimikrobielle Wirkstoffe sind ein internationales Gesundheitsproblem.

Alarmstufe Rot: Unsichtbare Killer im Visier der Sensortechnik

Technologieartikel | Artikel

23. April 2025 · 7 min
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Worum geht es

Die Zunahme antibiotikaresistenter Superbakterien entwickelt sich zur globalen Gesundheitskrise. Prognosen zufolge könnten die Infektionsraten bis 2028 wieder das Niveau der Zeit vor der Einführung von Penicillin erreichen – mit immensen Kosten in Milliardenhöhe.

Die Lösung? Eine frühere und präzisere Erkennung resistenter Erreger. Genau hier setzt die Empa mit ihren sensorbasierten Technologien an: für schnellere Diagnosen, gezieltere Therapien und einen effektiven Schutz vor der weiteren Ausbreitung der „stillen Pandemie“.

Dieser Artikel basiert auf einer Medienmitteilung von Andrea Six (Empa – Swiss Federal Laboratories for Materials Science and Technology) und bietet Einblicke in die zukunftsweisende Sensorforschung zur Bekämpfung resistenter Krankheitserreger.

Resistente Krankheitserreger zählen heute zu den größten Bedrohungen für die globale Gesundheit – mit rund fünf Millionen Todesfällen jährlich. Die antimikrobielle Resistenz (AMR) hat sich längst zu einer stillen Pandemie entwickelt, die nicht nur Menschenleben fordert, sondern auch das weltweite Gesundheitssystem massiv unter Druck setzt. Immer mehr Infektionen sprechen nicht mehr auf gängige Antibiotika an – mit teils fatalen Folgen.

Doch es gibt Hoffnung: Forschende der Schweizer Empa haben neuartige Sensoren entwickelt, die gefährliche Erreger in kürzester Zeit erkennen können. Ihr Ziel: schneller handeln, gezielter therapieren – und so Leben retten.

Was ist AMR – und warum betrifft sie uns alle?

AMR steht für antimikrobielle Resistenz (englisch: antimicrobial resistance). AMR beschreibt die Fähigkeit von Mikroorganismen – also Bakterien, Viren, Pilzen und Parasiten – sich so weiterzuentwickeln, dass sie nicht mehr auf Medikamente ansprechen, die früher wirksam waren.

Konkret heißt das: Antibiotika, antivirale Mittel oder Antimykotika verlieren ihre Wirkung
Antibiotikaresistenzen gehören laut WHO zu den zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit – und sie breiten sich leise, aber stetig aus. 

Die sogenannte „stille Pandemie“ ist deshalb so gefährlich, weil sie oft unbemerkt bleibt – bis Standardbehandlungen plötzlich nicht mehr wirken.

Doch wie entsteht AMR überhaupt?

Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten passen sich im Laufe der Zeit an – und können gegenüber Medikamenten resistent werden. Dieser Prozess wird drastisch beschleunigt durch den übermäßigen und unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika – etwa wenn sie bei viralen Infektionen eingenommen werden, gegen die sie keinerlei Wirkung haben.

Doch es geht nicht nur um Medikamente: Auch mangelhafte Hygiene, fehlende Infektionsprävention und begrenzter Zugang zu sauberem Wasser tragen maßgeblich zur weltweiten Ausbreitung von Resistenzen bei.

Die Folgen?

  • Infektionen dauern länger, verlaufen schwerer und sind schwerer behandelbar
  • Krankenhausaufenthalte verlängern sich, Therapien werden teurer
  • Selbst Routineeingriffe – wie Operationen oder Krebstherapien – werden riskanter

Was früher leicht behandelbar war, kann heute lebensbedrohlich werden

Alarmierende Realität – Wie weit die Resistenz schon fortgeschritten ist

Weltweit nehmen antimikrobielle Resistenzen rasant zu – insbesondere bei alltäglichen Infektionen wie Harnwegsinfektionen, Durchfallerkrankungen, Sepsis und sexuell übertragbaren Krankheiten. Die verfügbaren Mittel im Kampf gegen resistente Erreger verlieren zunehmend an Wirksamkeit: Immer mehr Bakterien sprechen nicht mehr auf herkömmliche Antibiotika an.

Besonders alarmierend ist die Situation beim Antibiotikum Ciprofloxacin, das häufig zur Behandlung von Harnwegsinfekten eingesetzt wird. Laut WHO liegen die globalen Resistenzraten bei Escherichia coli zwischen 8,4% und 92,9% – bei Klebsiella pneumoniae sogar zwischen 4,1% und 79,4%. Die Daten des GLASS-Programms (Global Antimicrobial Resistance and Use Surveillance System) sind ein eindringlicher Weckruf: Wirksame Behandlungsoptionen werden knapp.

Genau hier setzt die Forschung der Empa an: mit sensorgestützten Diagnoselösungen, die eine schnellere Erkennung resistenter Erreger ermöglichen, Therapieentscheidungen verbessern und zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung beitragen.

Sensoren als Gamechanger in der AMR-Diagnostik

Aktuelle Fortschritte in den Bereichen Biosensorik, Mikrofluidik und Nukleinsäure-Amplifikation haben neuartige Systeme hervorgebracht, die das Potenzial haben, antimikrobielle Empfindlichkeitstests (AST) grundlegend zu verändern. Ein Beispiel dafür ist ein von Genefluidics entwickeltes System, das elektrochemische Biosensoren nutzt, um das Bakterienwachstum über den Nachweis von 16S-rRNA-Molekülen zu messen. 

Die Kombination aus Nanotechnologie, Mikrofluidik und mikroelektromechanischen Kunststoffsystemen erlaubt eine schnelle und präzise Identifikation bakterieller Erreger.

Auch am Schweizer Forschungsinstitut Empa werden innovative Sensortechnologien entwickelt, die in diesem Artikel näher vorgestellt werden.

Darüber hinaus gewinnen Biosensoren und Chemosensoren zunehmend an Bedeutung im Nachweis antimikrobieller Resistenzen – vor allem aufgrund ihrer einfachen Handhabung, kostengünstigen Produktion und der Fähigkeit, analytische Ergebnisse in Echtzeit zu liefern. Die eingesetzten Sensoren – ob optisch, elektrochemisch, mechanisch oder thermisch – detektieren physikalische oder chemische Veränderungen, um resistente Erreger zuverlässig zu identifizieren.

Diese technologischen Fortschritte versprechen nicht nur schnellere und kosteneffizientere Lösungen für die Erkennung von AMR, sondern leisten auch einen entscheidenden Beitrag zur Verbesserung der Patientenversorgung und zur Bekämpfung der globalen Resistenzkrise.

In den folgenden Abschnitten werden drei sensorbasierte Forschungsprojekte der Empa im Detail vorgestellt.

Lichtemittierende Sensoren zur Erkennung von Lungenentzündungen

Lungenentzündungen, ausgelöst durch multiresistente Bakterien – insbesondere Klebsiella pneumoniae – stellen weltweit ein zunehmendes Problem in Krankenhäusern dar. Um dem entgegenzuwirken, entwickelt Giorgia Giovannini, Forscherin an der Empa, gemeinsam mit dem Kantonsspital St. Gallen – dem sechstgrößten Krankenhaus der Schweiz – einen innovativen, lichtemittierenden Sensor zum Nachweis dieses Erregers.

Im Fokus steht das Enzym Urease, das Klebsiella pneumoniae produziert. Der Sensor basiert auf einem Polymersystem, das einen fluoreszierenden Farbstoff einschließt. Sobald die Urease das Polymer zersetzt, wird der Farbstoff aktiviert – und der Sensor sendet Licht aus. Diese Fluoreszenz dient als präzises Signal für das Vorhandensein der Bakterien.

Ein wesentlicher Vorteil dieser Technologie liegt in der Geschwindigkeit: Während herkömmliche Labortests mehrere Tage benötigen, liefert der Sensor innerhalb weniger Stunden Ergebnisse – etwa aus Rachen- oder Sputumproben. Diese schnelle Diagnostik ermöglicht eine frühzeitige und gezielte Behandlung, verbessert die Patientenversorgung und verringert das Risiko schwerwiegender Komplikationen.

Intelligente Wundauflagen mit integrierten Sensoren

Infizierte Wunden verursachen nicht nur Schmerzen und Gewebeschäden – sie schaffen auch ein ideales Umfeld für das Wachstum und die Ausbreitung antibiotikaresistenter Superbakterien. Ein typisches Beispiel ist Staphylococcus aureus.

Laut einem medizinischen Artikel von Tracey A. Taylor und Chandrashekhar G. Unakal, veröffentlicht auf StatPearls [Internet] in der National Library of Medicine (NIH), gehört Staphylococcus aureus zu den häufigsten bakteriellen Erregern klinischer Infektionen wie Gastroenteritis, Harnwegsinfektionen, Osteomyelitis, Meningitis oder septischer Arthritis. Die Behandlung dieser Infektionen wird zunehmend schwieriger – vor allem durch die Ausbreitung multiresistenter Stämme wie MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus).

Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, arbeiten Empa-Forschende unter der Leitung von Dr. Luciano Boesel und Dr. Giorgia Giovannini an der Entwicklung eines innovativen Wundverbands mit integrierten Sensoren zur Echtzeit-Erkennung bakterieller Aktivität.

Dieser smarte Verband kombiniert ein biokompatibles Hydrogel mit eingebetteten Silika-Nanopartikeln, die gezielt auf bakterielle Stoffwechselprodukte reagieren. Sobald Erreger wie Staphylococcus aureus in der Wunde aktiv werden und beispielsweise Antibiotika abbauen, registrieren die Sensoren chemische Veränderungen – darunter auch die Produktion resistenzassoziierter Enzyme wie Beta-Laktamasen, die gängige Antibiotika unwirksam machen.

Wird ein solcher Resistenzmarker erkannt, reagiert das System mit einer fluoreszierenden Anzeige unter UV-Licht. So können Ärztinnen und Ärzte den Infektionsstatus und das Resistenzprofil direkt vor Ort beurteilen – ohne langwierige Labortests. Diese Form der schnellen Diagnostik könnte Therapieentscheidungen beschleunigen, das Risiko von Komplikationen senken und eine gezieltere, patientenindividuelle Behandlung ermöglichen.

Magnetische Nanopartikel gegen Harnwegsinfektionen

Pseudomonas aeruginosa ist ein gefürchteter Krankenhauskeim und zählt zu den Bakterien, die aufgrund wachsender Antibiotikaresistenzen besonders schwer zu behandeln sind – insbesondere bei Harnwegsinfektionen.

Laut den U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) sind bestimmte Stämme von Pseudomonas aeruginosa inzwischen gegen nahezu alle gängigen Antibiotika resistent, einschließlich der hochwirksamen Carbapeneme. Diese als multiresistent (MDR) eingestuften Varianten verursachten allein im Jahr 2017 rund 32.600 Infektionen bei Krankenhauspatient:innen in den USA und trugen zu schätzungsweise 2.700 Todesfällen bei.

Um solche Resistenzen schneller und gezielter erkennen zu können, haben Forschende der Empa gemeinsam mit der ETH Zürich eine innovative Nachweismethode auf Basis magnetischer Nanopartikel entwickelt. Der Fokus liegt dabei auf der schnellen Identifikation von Pseudomonas aeruginosa in Urinproben.

Die speziell beschichteten Nanopartikel binden gezielt an die Bakterien und ermöglichen es, die Erreger mittels Magnetfeld direkt aus der Probe zu isolieren.

Ergänzend dazu hat das Forschungsteam einen chemilumineszenzbasierten Test entwickelt, der die Antibiotikaresistenz der isolierten Bakterien bewertet: Gibt die Probe Licht ab, sind resistente Keime vorhanden. Diese Methode liefert Ergebnisse in nur 30 Minuten – ein enormer Fortschritt gegenüber klassischen Kulturen, bei denen die Diagnose oft mehrere Tage dauert.

Quellen:

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