Führt der DPP wirklich zu einer breiten Einführung von RFID – oder bleibt er ein politisches Pilotprojekt?
Eiko Gramlich: Ja, in einigen Bereichen wird der Einsatz von RFID sogar verpflichtend sein, etwa bei Autoreifen. Zwar ließen sich die Anforderungen und Informationspflichten des DPP grundsätzlich auch mit anderen Technologien wie QR-Codes umsetzen, aber RFID bietet gerade wegen der Automatisierungsmöglichkeiten in der Lieferkette entscheidende Vorteile.
Besonders im Fashion-Retail-Bereich, wo UHF-RFID heute bereits breit eingesetzt wird, ergibt es Sinn, die für den Digitalen Produktpass nötigen Informationen automatisiert zu erfassen und RFID-Transpondern dadurch eine noch größere Bedeutung zu geben.
Drohen durch unterschiedliche DPP-Standards in Europa Insellösungen und ein Flickenteppich an Einzellösungen?
Eiko Gramlich: Das lässt sich aus heutiger Sicht schwer beurteilen. Momentan herrscht große Unsicherheit, und es laufen viele Diskussionen darüber, wie die konkrete Umsetzung aussehen soll. Da es bislang keinen verbindlichen Standard gibt, besteht die Gefahr, dass am Ende Insellösungen entstehen.
Ich persönlich hoffe aber, dass zeitnah ein Konsens – zumindest innerhalb einzelner Branchen – gefunden wird, damit sich Anwender auf einheitliche Standards berufen können. Das würde allen Beteiligten und letztlich auch den Verbrauchern den Umgang mit dem DPP deutlich erleichtern.
Lohnt sich der Aufwand am Ende für die Endkunden – oder sind die Kosten dafür schlicht zu hoch?
Eiko Gramlich: Gute Frage! Ich denke, der DPP ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Er gibt dem Kunden in vielen Bereichen die Möglichkeit nachzuvollziehen, woher die einzelnen Rohstoffe und Endprodukte stammen. Hoffentlich wird das zu bewussteren Kaufentscheidungen führen und nachhaltig produzierten Waren einen Vorteil verschaffen. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Endkunden diese Informationen tatsächlich aktiv abrufen und ob dieser Schritt die Kaufentscheidung wirklich beeinflusst – und wenn ja, in welchem Ausmaß.
In welchem Bereich wird der DPP vorrangig Wirkung zeigen: Produktion, Lieferkette, Vertrieb, Konsum oder Umwelt?
Eiko Gramlich: Direkten Einfluss wird der DPP zunächst auf die Bereiche Produktion, Lieferkette und Vertrieb haben, weil alle beteiligten Akteure die vorgeschriebenen Daten erheben und bereitstellen müssen. Letztlich soll der DPP aber auch die Kaufentscheidungen der Endkunden positiv beeinflussen und so den Absatz nachhaltiger, umweltschonender Produkte fördern. Ob und in welchem Umfang das gelingt, kann man derzeit noch nicht sicher sagen (siehe auch die vorherige Frage).
Wer trägt eigentlich den Hauptaufwand für die Integration – auch finanziell? Sind es die Hersteller?
Eiko Gramlich: Systemseitig wird sich der Integrationsaufwand über die gesamte Lieferkette verteilen. Allerdings werden die Hersteller von Rohstoffen und die Produzenten fertiger Produkte vermutlich den größten Anteil daran tragen müssen. Finanziell werden die Kosten für die Umsetzung des DPP voraussichtlich an die Endverbraucher weitergegeben – zumindest, sofern das die Marktsituation erlaubt.
Ich kann mir aber gut vorstellen, dass Hersteller besonders nachhaltiger Produkte davon profitieren werden, weil Kunden möglicherweise bereit sind, für diese Produkte – gerade wegen der besseren Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit – einen Aufpreis zu zahlen. Umgekehrt könnte sich die Kaufentscheidung bei besonders umweltschädlichen Produkten negativ auswirken.

NFC, UHF oder Dual-Frequency – welche Technologie wird sich am Ende durchsetzen, falls überhaupt eine?
Eiko Gramlich: Gerade im Fashion-Retail-Bereich ist man aufgrund der erheblichen Vorteile (die ich hier nicht im Detail ausführen möchte) stark auf die UHF-Technologie fokussiert. Ich gehe deshalb davon aus, dass UHF zumindest für die Datenerhebung entlang der Lieferkette die Hauptrolle spielen wird. Was die Chipkosten betrifft, ist NFC – und insbesondere Dual-Frequency – für viele Anwendungen derzeit noch zu teuer. Sollten die Kosten für DF-Labels sinken, wäre ein breiterer Einsatz durchaus denkbar. Im Moment findet man Dual-Frequency-Lösungen aber vor allem bei sehr hochpreisigen Produkten.
Für die Etikettenbranche gibt es bislang keine konkreten Vorgaben. Wird das zum Problem?
Eiko Gramlich: Das kann ich mir nicht vorstellen. Im Kern geht es „nur“ um einen Link zu den DPP-relevanten Informationen. Ob man dafür bestehende RFID-Transponder nutzt oder einen zusätzlich aufgedruckten QR-Code auf das Etikett setzt, dürfte für die Etikettenbranche keine großen Unterschiede machen. Allenfalls könnte sich die weitere Verbreitung von RFID-Etiketten auf Kosten von rein gedruckten Labels etwas verstärken.