Chiplose RFID macht intelligente Verpackungen massentauglich

Smart, günstig, kontaktlos – Wie weit ist die RF Barcode-Technologie?

Chiplose RFID macht intelligente Verpackungen massentauglich

Technologieartikel | Artikel

21. Juli 2025 · 5 min
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Worum geht es

Neue Forschungsergebnisse ebnen den Weg für nachhaltige IoT-Kennzeichnung.

Die chiplose RFID-Technologie, auch bekannt als RF Barcode-Technologie, erlebt durch aktuelle Forschungsdurchbrüche einen Aufschwung. Im Zuge wachsender Anforderungen an nachhaltige Verpackungen, recycelbare Materialien und kosteneffiziente IoT-Anwendungen bieten chiplose Tags eine zukunftsfähige, ressourcenschonende Alternative zur klassischen RFID – und auch zum QR-Code.

Was ist RF Barcode-Technologie?

RF Barcodes bestehen aus gedruckten leitfähigen Strukturen, die auf elektromagnetische Wellen in bestimmten Frequenzbereichen reagieren. Beim Scannen durch ein Lesegerät entsteht ein spektrales Muster – vergleichbar mit einem Barcode, nur im Frequenzbereich.

Im Gegensatz zu klassischen RFID-Tags oder QR-Codes benötigen sie keinen Chip, keine Batterie und keine optische Sichtverbindung.

Die Antennenstruktur: das Herzstück eines RF-Barcodetags

Die Antennenstruktur besteht aus leitfähigem Material – etwa Silber- oder Kohlenstofftinte – das in exakt definierten geometrischen Mustern auf ein Trägermaterial wie Papier oder Kunststoff aufgebracht wird. Diese Struktur wirkt wie ein passiver Resonator: Sie reflektiert eingehende Hochfrequenzsignale bei bestimmten Frequenzen und erzeugt so ein charakteristisches Rückstreuprofil.

Jede Kombination von Resonanzfrequenzen bildet einen eindeutigen „Frequenz-Fingerprint“, der vom Lesegerät erkannt werden kann. Je nach Anwendung und Tag-Design kommen dabei verschiedene Frequenzbereiche zum Einsatz – typischerweise im Bereich von 1 bis 10 GHz, aber auch darunter (z. B. im UHF-Bereich) oder darüber, wenn mehr Bit-Tiefe oder höhere Auflösung benötigt werden.

Reader-Technologie: Warum klassische RFID-Lesegeräte nicht ausreichen

Chiplose RFID-Tags – wie sie bei der RF Barcode-Technologie zum Einsatz kommen – funktionieren ohne Chip, Speicher oder aktive Elektronik. Sie erzeugen ihr Identifikationsmuster allein durch ihr physikalisches Rückstreuverhalten im Hochfrequenzbereich. Genau das stellt neue Anforderungen an die Lesetechnologie.

Im Gegensatz zu klassischen RFID-Systemen, bei denen ein Reader mit dem Chip im Tag über ein standardisiertes Protokoll kommuniziert, gibt es bei chiplosen Tags keine Protokollantwort. Stattdessen reflektieren sie das gesendete Signal auf charakteristische Weise – abhängig von Struktur, Geometrie und Material des Tags.

Das Auslesen erfolgt daher nicht über klassische UHF-RFID-Reader, sondern über spezialisierte Geräte, die das elektromagnetische Rückstreusignal analysieren können.

Zwei bewährte Ansätze aus Forschung und Entwicklung sind:

  • Vektor-Netzwerkanalysatoren (VNA): Sie senden breitbandige Signale im Hochfrequenzbereich (z. B. 1–10 GHz) und messen präzise die Frequenzantwort. So entsteht ein spektrales „Fingerprint“ des Tags – vergleichbar mit einem digitalen Barcode im Frequenzbereich.
  • Software Defined Radio (SDR): Diese flexibel programmierbaren Plattformen erlauben die Erfassung, Analyse und Interpretation von RF-Signalen in Echtzeit. Mit geeigneter Software lassen sich chiplose Tags erkennen, auswerten und sogar unterschiedlichen Materialien oder Zuständen zuordnen.

Die aktuelle Lesereichweite liegt meist im Bereich von einigen Millimetern bis ca. 15 cm, bei optimalem Aufbau und Laborausrüstung auch darüber. Für den Massenmarkt ist diese Reichweite ausreichend für Nahbereichs-Erkennung, z. B. in Verpackungslinien, Kisteninspektion, Echtheitsprüfungen oder Sortieranlagen – aber noch nicht vergleichbar mit klassischer RFID (bis mehrere Meter).

Neue Erkenntnisse aus der Forschung

Mehrere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen zeigen eindrucksvoll das Potenzial dieser Technologie:

  • Flexible Tags mit Array-Strukturen steigern die Lesereichweite und Signalstärke signifikant.
  • Nachhaltige Materialien wie PDMS (Polydimethylsiloxan – ein weiches, flexibles Silikonmaterial) mit Kohlenstoff-Nanoröhren ermöglichen biokompatible und vollständig recyclingfähige Tags.
  • Bewegungssensitive Tags (Motion-Modulation) eröffnen neue Interaktionsmöglichkeiten – beispielsweise zur Gestenerkennung.

Vorteile gegenüber QR-Codes

Während QR-Codes eine kostengünstige Lösung für den Endkundenkontakt darstellen, stoßen sie im industriellen Umfeld an ihre Grenzen: Sie müssen sichtbar, sauber und korrekt ausgerichtet sein, um zuverlässig gelesen zu werden – und lassen sich nur einzeln scannen.

Die RF Barcode-Technologie funktioniert hingegen berührungslos und verdeckt. Sie ermöglicht das gleichzeitige Auslesen mehrerer Objekte, etwa in der Logistik, ohne dass Etiketten sichtbar oder manuell gescannt werden müssen.

„Chiplose RFID ist kein abgespecktes RFID – sie stellt eine eigenständige Technologie dar, die völlig neue Anwendungsszenarien ermöglicht“, so Prof. Etienne Perret, Mitentwickler des EU-Projekts ScattererID.

Selbst bei Verschmutzung, Feuchtigkeit oder ungünstiger Positionierung liefern RF Barcodes zuverlässige Ergebnisse. Gleichzeitig sind sie schwerer zu fälschen, da das Rückstreusignal physikalisch eindeutig ist.

Damit eignet sich die Technologie ideal für Anwendungen in der automatisierten Erfassung, Rückverfolgbarkeit, Fälschungssicherheit und nachhaltigen Verpackungskennzeichnung.

Nachhaltigkeit und industrielle Anwendungsbereiche

RF Barcode-Tags lassen sich direkt auf Papier, Folien oder Textilien drucken – ohne Chip, ohne Batterie, vollständig recyclingfähig. Dadurch eröffnen sich neue Einsatzmöglichkeiten in Bereichen wie:

  • Smart Packaging
  • Lagerlogistik und Supply Chain
  • Pharma- und Medizinprodukte
  • Fälschungssichere Etiketten

Die einfache Integration in Verpackungen und die Möglichkeit zur Massenproduktion machen die RF Barcode-Technologie zu einer ökonomisch wie ökologisch überzeugenden Lösung für die Industrie 4.0.

RF Barcode-Technologie im Überblick

Die RF Barcode-Technologie ermöglicht eine kontaktlose Identifikation ganz ohne Chip – sie ist kostengünstig, recyclingfähig und mechanisch robust. Erste Pilotprojekte laufen bereits in Bereichen wie Verpackung, Fälschungsschutz und Forschung. Ihr Potenzial für den Massenmarkt ist groß, insbesondere für nachhaltige, smarte Verpackungslösungen.

Warum ist sie noch nicht breit etabliert?

  • Es fehlt an internationalen Standards für Frequenzen und Tag-Designs.
  • Kompakte und bezahlbare Lesegeräte sind noch nicht serienreif.
  • Produktionsprozesse für präzise Antennenstrukturen sind noch im Aufbau.

Wer treibt die Entwicklung voran?

  • Forschung: Grenoble INP (ScattererID), University of Glasgow, MIT, TU Eindhoven
  • Industrie: Phenix Label, Brady Corp., Xerafy
  • Messtechnik: Keysight, Rohde & Schwarz, NI

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