Digitaler Produktpass: RFID auf dem Weg in den Mainstream

Der Digitale Produktpass der EU wird durch standardisierte Datenstrukturen und den Einsatz von RAIN RFID und NFC die Nachverfolgbarkeit, Transparenz und neue Geschäftsmodelle nachhaltig vorantreiben.

  • Veröffentlicht: 22. September 2025
  • Lesezeit: 5 min
  • Von: Anja Van Bocxlaer
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Digitaler Produktpass: RFID auf dem Weg in den Mainstream
Im Gespräch: Kurt Bischof, NXP Semiconductors, über die Chancen und Herausforderungen des digitalen Produktpasses für RFID-Technologien. Quelle: Think WIoT
  • Der DPP etabliert verbindliche Datenstandards, die Interoperabilität zwischen Geräten und Systemen sichern sollen.
  • RAIN RFID und NFC werden als Schlüsseltechnologien für Automatisierung, Massenauslesung und Kundeninteraktion erwartet.
  • Der DPP bietet Marken und Händlern neue Chancen für Direktmarketing, After‑Sales‑Services und verifizierte Wiederverkaufsmärkte.
  • Die Hauptkosten tragen Wirtschaftsakteure; bestehende RFID‑Lieferantenvereinbarungen minimieren notwendige strukturelle Anpassungen.

Der digitale Produktpass (DPP) der Europäischen Union wird die Art und Weise, wie physische Produkte verwaltet, verfolgt und erlebt werden, grundlegend verändern. Über die Einhaltung von Vorschriften hinaus bietet der DPP enorme Chancen für Marken, Einzelhändler und Verbraucher.

Think WIOT sprach mit Kurt Bischof, Director Marketing RAIN RFID Solutions Retail bei NXP Semiconductors, über die bevorstehenden Vorschriften, die Einführung von RFID und die Auswirkungen auf Branchen und Verbraucher.

Der DPP wird kommen – und er wird groß sein

Die Europäische Kommission hat einen ehrgeizigen Fahrplan für den DPP aufgestellt. Wie sicher ist dessen Umsetzung?

Kurt Bischof: Nach allem, was wir heute sehen können, ist der digitale Produktpass auf einem guten Weg – und er wird kommen. Textilien sind einer der ersten Sektoren, die im Fokus stehen, und die Standardisierungsarbeit durch CEN JTC24 definiert bereits eindeutige Identifikatoren und Datenstrukturen. Dadurch wird sichergestellt, dass jedes intelligente Gerät, vom Smartphone bis zum industriellen Scanner, nahtlos auf DPP-Daten zugreifen kann.

Für Einzelhändler und Markeninhaber eröffnet dies völlig neue Kanäle:

Der DPP bietet enorme Möglichkeiten für das Direktmarketing gegenüber dem Verbraucher. Und das zusätzlich zur Einhaltung gesetzlicher Vorschriften.

RAIN RFID und NFC im Mittelpunkt

Der Standard ist technologieneutral konzipiert. Warum sind RAIN RFID und NFC so zentral?

Kurt Bischof: Der DPP kann zwar verschiedene Datenträger unterstützen, aber NFC und RAIN RFID haben klare Vorteile. Sie ermöglichen Automatisierung, Massenauslesung und reibungslose Interaktion mit den Verbrauchern. Bei NXP entwickeln wir beide Technologien aktiv weiter und sind davon überzeugt, dass ein dualer Technologieansatz der beste Weg ist, um eine Fragmentierung des Marktes zu vermeiden und eine breite Akzeptanz sicherzustellen.

Es wird erwartet, dass der DPP die breite Einführung von RFID, insbesondere von RAIN RFID und NFC, vorantreiben wird. Diese Technologien sind bereits ausgereift und skalierbar – und aufgrund der regulatorischen Dynamik seitens der EU ist es unwahrscheinlich, dass der DPP ein Pilotprojekt bleiben wird.

Ein Standard, kein Flickenteppich

Einige Interessengruppen befürchten, dass unterschiedliche DPP-Modelle in Europa zu isolierten Lösungen führen könnten. Teilen Sie diese Sorge?

Kurt Bischof: Das Ziel ist klar: Jedes intelligente Gerät muss auf die DPP-Daten des jeweiligen Produkts zugreifen können. Die Europäische Union wird festlegen, welche Datenattribute gespeichert werden und wie sie strukturiert sind, um eine echte branchenübergreifende Interoperabilität zu gewährleisten. Bei NXP arbeiten wir eng mit Industrieverbänden und Normungsgremien zusammen, um diese Vision zu verwirklichen.

Wert über die Compliance hinaus

Viele Unternehmen betrachten die DPP als Compliance-Belastung. Welche Chancen eröffnet sie?

Kurt Bischof: Compliance ist nur der Ausgangspunkt. Die DPP bietet Marken und Einzelhändlern enorme Chancen. Stellen Sie sich Verbraucher vor, die ihre Produkthandbücher verloren haben oder Jahre nach dem Kauf Reparaturanleitungen benötigen – mit der DPP sind diese Daten nur einen Fingertipp auf ihrem Smartphone entfernt. Sie unterstützt auch Wiederverkaufs-Märkte, da verifizierte Produktdaten Vertrauen schaffen und die Kreislaufwirtschaft stärken.

Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus

Wo sehen Sie die größten Auswirkungen entlang der Wertschöpfungskette?

Kurt Bischof: Das DPP wird den gesamten Produktlebenszyklus beeinflussen:

  • In der Produktion und in Lieferketten ermöglicht er Echtzeit-Tracking und eine genauere Bestandsverwaltung.

  • Im Bereich der Kundenbindung sorgt es für Transparenz hinsichtlich Herkunft, Nachhaltigkeit und verfügbaren Dienstleistungen.

  • Für die Umwelt fördert es das Recycling und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen.

Wer bezahlt?

Die Integration des DPP ist mit Kosten verbunden. Wer wird dafür aufkommen?

Kurt Bischof: Die Wirtschaftsakteure – hauptsächlich Marken und Einzelhändler – werden die DPP-Datenbanken überwachen. Die Kosten für die Verwendung von Datenträgern wie RAIN-RFID-Tags hängen von den bestehenden Lieferantenvereinbarungen ab. Das ist jedoch nichts völlig Neues. Einzelhändler nutzen bereits heute ähnliche Vereinbarungen für RFID, sodass keine großen strukturellen Änderungen erforderlich sind.

Ausblick: Der entscheidende Moment für RFID

Was bedeutet das für die Einführung von RFID?

Kurt Bischof: Angesichts des regulatorischen Drucks und der Verbrauchernachfrage markiert die DPP einen entscheidenden Moment. RAIN RFID und NFC sind ausgereifte, skalierbare Technologien, und angesichts der Dynamik seitens der EU ist es sehr unwahrscheinlich, dass die DPP nur ein Pilotprojekt bleiben wird. Bei NXP sehen wir darin mehr als nur eine Technologie – es geht darum, die Art und Weise zu gestalten, wie physische Produkte und digitale Dienste in der Wirtschaft der Zukunft zusammenkommen.

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