6G-Forschung an der TU Berlin: 1,5 Millionen Euro für Grundlagenforschung

Die Zukunft des Mobilfunks nimmt in Berlin Gestalt an: Dr. Shuangyang Li, Forscher am Fachgebiet „Theoretische Grundlagen der Kommunikationstechnik“ von Prof. Dr. Giuseppe Caire an der Technischen Universität Berlin, wurde mit einem renommierten ERC Starting Grant des Europäischen Forschungsrates ausgezeichnet.
Die Förderung in Höhe von 1,5 Millionen Euro ermöglicht es Li, in den kommenden fünf Jahren grundlegende Forschungsarbeit für den 6G-Mobilfunkstandard zu leisten. 6G soll ab 2030 als Nachfolger von 5G weltweit eingeführt werden.
Globaler Datenhunger treibt Entwicklung
Der Bedarf an mobiler Datenübertragung wächst rasant: Zwischen 2023 und 2024 nahm der globale mobile Datenverkehr um 25 Prozent zu. Bis Ende 2029 werden 75 Prozent der Weltbevölkerung ein Mobiltelefon nutzen – Tendenz steigend.
Neue Technologien wie das Internet der Dinge (IoT), autonomes Fahren, smarte Produktionsmethoden in Industrie und Landwirtschaft sowie KI-Systeme, die selbstständig Entscheidungen treffen, werden den Druck auf bestehende Mobilfunknetze weiter erhöhen.
6G soll diesem Bedarf gerecht werden und könnte durch eine Kombination aus Satelliten, Funkballons, Drohnen und landbasierten Sendeanlagen eine flächendeckende Hochgeschwindigkeitsversorgung überall auf der Welt ermöglichen.
„Unser Ziel ist es, eine Mobilfunkinfrastruktur zu entwickeln, die überall und jederzeit zuverlässiges Internet mit höchster Geschwindigkeit bietet“, sagt Shuangyang Li.
Neue Ansätze statt nur höhere Geschwindigkeit
Während frühere Mobilfunkgenerationen vor allem auf höhere Datenraten setzten, verfolgt 6G einen ganzheitlicheren Ansatz. Ein Schlüsselkonzept dabei ist „Integrated Sensing and Communication“ (ISAC) – die Verknüpfung von Kommunikation und Sensorik.
Bisher wurden Kommunikations- und Radarsysteme, etwa im Automobilbereich, getrennt entwickelt. ISAC hingegen nutzt dasselbe Frequenzspektrum und dieselbe Hardware für beide Anwendungen. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern ermöglicht es, Bewegungs- und Umgebungsinformationen direkt in die Optimierung der Mobilfunkverbindung einfließen zu lassen.
„ISAC gilt als vielversprechender Ansatz für 6G“, erklärt Li. „Ich werde in meinem Projekt darauf aufbauen und versuchen, es um eine neue Dimension zu erweitern.“
Störfaktoren als Schlüssel zum Erfolg
Bislang werden der Doppler-Effekt und Zeitverzögerungen in Funknetzen als Störungen betrachtet. Li möchte diese Effekte stattdessen nutzen, um ein präziseres Bild der Funkkanäle zu gewinnen.
Doppler-Effekt: Bekannt vom Martinshorn eines Krankenwagens – Töne klingen höher, wenn sich das Fahrzeug nähert, und tiefer, wenn es sich entfernt. Dasselbe geschieht mit elektromagnetischen Wellen, wenn sich Sender oder Empfänger bewegen.
Zeitverzögerung: Tritt auf, wenn Funksignale z. B. an Wänden reflektiert werden und daher später eintreffen, als der direkte Weg vermuten lässt.
Durch die genaue Analyse dieser Phänomene können Funkwege unterschieden werden, was eine bessere Modulation und damit eine effizientere Informationsübertragung ermöglicht.
„Wenn wir die Bewegungen und Positionen der Mobilgeräte genau bestimmen, lassen sich diese Effekte gezielt in die Signalberechnung integrieren“, sagt Li. „So werden sie von unberechenbaren Störungen zu nützlichen Informationen.“
Algorithmen und Wellenformen für die Zukunft
Der Fokus des Projekts liegt nicht nur auf theoretischen Modellen, sondern auch auf der praktischen Umsetzung: Li wird neue Algorithmen entwickeln, die in Echtzeit komplexe Berechnungen durchführen können. Zudem sucht er nach der optimalen Wellenform, die sich für diese neue Art der Informationsverarbeitung eignet.
Die Ergebnisse könnten weit über den Mobilfunk hinaus wirken. Potenzielle Anwendungsbereiche sind:
Autonomes Fahren und Fahrzeugsensorik
Umweltsensorik für präzisere Messungen
Industrie 4.0 und smarte Produktionsanlagen
Drohnenflüge mit optimierter Kommunikation und Navigation
Bedeutung für den Standort Europa
Die Förderung durch den ERC Starting Grant ist ein starkes Signal für die europäische Mobilfunkforschung. 6G ist ein strategisch wichtiges Zukunftsthema, das nicht nur technische Herausforderungen mit sich bringt, sondern auch wirtschaftliche und politische Auswirkungen hat.
Europa positioniert sich damit im globalen Wettlauf um den nächsten Mobilfunkstandard als führender Innovationsstandort. Das Projekt von Shuangyang Li trägt dazu bei, technologische Grundlagen zu schaffen, die später in industrielle Anwendungen und weltweite Standards einfließen können.
Fazit
Mit seiner Forschung legt Dr. Shuangyang Li den Grundstein für eine neue Generation des Mobilfunks. Sein Ansatz, Störeffekte nicht zu bekämpfen, sondern gezielt einzusetzen, könnte die Art und Weise, wie Daten übertragen werden, grundlegend verändern.
6G wird nicht nur schneller, sondern auch intelligenter sein – und den Weg bereiten für eine Welt, in der Milliarden von Geräten nahtlos miteinander kommunizieren. Die Förderung über 1,5 Millionen Euro stellt sicher, dass Berlin und Europa bei dieser Entwicklung eine führende Rolle einnehmen.
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ERC Starting Grant
Ekaterina Zaharieva, Europäische Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation, sagte:
„Unter den Gewinnern dieser neuen Runde prestigeträchtiger EU-Förderungen über den Europäischen Forschungsrat befinden sich Forschende aus mehr als 50 Nationalitäten, die alle das Wissen in einer Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen voranbringen. Dies zeigt das Potenzial Europas, führende wissenschaftliche Talente anzuziehen und zu halten. Wir sehen, wie führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesen neuen Stipendien nach Europa kommen und sich viele dank dieser Unterstützung dafür entscheiden, hier zu bleiben.“
Sind Sie eine talentierte Nachwuchswissenschaftlerin oder ein talentierter Nachwuchswissenschaftler, die oder der bereits exzellente betreute Forschungsarbeiten vorweisen kann, bereit ist, eigenständig zu arbeiten, und das Potenzial hat, eine führende Rolle in der Forschung zu übernehmen? Dann könnte der ERC Starting Grant genau das Richtige für Sie sein.