Joaneo macht sich bereit für den Digital Product Passport

Joaneo entwickelt recycelbare RFID-Inlays, erfüllt die ISO-59040-Standards und bereitet sich auf die Anforderungen des Digital Product Passport vor. (Bild: Joaneo)

Joaneo macht sich bereit für den Digital Product Passport

Field Story | Interview

Joaneo · 16. September 2025 · 10 min
Worum geht es

Joaneo hat eine Studie durchgeführt, um die Kreislaufwirtschaft von Inlays zu evaluieren. Die Analyse solch komplexer Systeme ist eine Herausforderung, doch das Unternehmen hat sich dieser Aufgabe aus Überzeugung und mit einem starken Qualitätsanspruch gestellt.

Die Studie folgt einer international anerkannten Methodik gemäß ISO 59040 und ermöglicht eine transparente Bewertung der Zirkularität über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Herstellung bis zum End-of-Life.

In einem Interview mit Anja Van Bocxlaer erläutern Joachim Priem, Business Developer Printed Electronics bei Victor Buck Services, und Dr. Syaiful Mohd, RFID Field Engineer bei Joaneo, warum die Analyse der Recyclingfähigkeit Joaneos Produkten einen entscheidenden Vorteil verschafft.

Joaneo setzt auf ISO 59040 und PCDS für Kreislaufwirtschaft und regulatorische Sicherheit

Zahlreiche Unternehmen veröffentlichen Daten zur Kreislaufwirtschaft. Ohne einen verbindlichen Standard fehlt jedoch oft die Verlässlichkeit – mit dem Risiko von Greenwashing und mangelndem Vertrauen.

Mit dieser Analyse zeigt Joaneo, dass das Unternehmen eine führende Rolle bei der Vorbereitung auf die Anforderungen des Digital Product Passport übernimmt, der auf der Verordnung (EU) 2024/178 basiert. Damit sendet Joaneo ein klares Signal für die frühzeitige Einhaltung der kommenden Vorschriften.

In Zusammenarbeit mit der in Luxemburg ansässigen Organisation Terra Matters hat Joaneo zudem sein erstes Product Circularity Data Sheet (PCDS) erstellt. Dies ermöglicht es Joaneo, vertrauenswürdige Informationen bereitzustellen und einen verbindlichen Nachweis über die Zirkularität seiner Inlays zu liefern.

Die Analyse wurde am neuen V-TAG 36 NFC-Inlay durchgeführt. Da dieser Tag papierbasiert ist, gelten die Ergebnisse für alle papierbasierten Inlays des Unternehmens.

Welche konkreten Gründe haben Sie dazu veranlasst, die Kreislaufwirtschaft Ihrer Inlays zu analysieren?

Joachim Priem: Nachhaltigkeit ist bei Joaneo fest verankert – ebenso wie bei Victor Buck Services und der POST Group Luxembourg. Mit unserer strategischen Entscheidung, uns auf papierbasierte Inlays und einen umweltfreundlichen Produktionsprozess zu konzentrieren, haben wir Nachhaltigkeit zu einer unserer zentralen Prioritäten gemacht.

Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass Greenwashing und verschiedene „grüne Zertifikate“ in vielen Branchen zu Verwirrung führen. Deshalb wollten wir unsere papierbasierten Inlays nach einem internationalen Standard bewerten lassen – insbesondere im Hinblick auf Umweltverträglichkeit und Recyclingfähigkeit im Vergleich zu herkömmlichen RFID-Inlays.

Da weltweit Milliarden von RFID-Tags auf Produkten im Einsatz sind, ist es aus ESG- (Environmental Social Governance) und Kreislaufwirtschaftsperspektive unerlässlich, auch das End-of-Life dieser RFID-Tags aus Nachhaltigkeitssicht zu berücksichtigen.

ESG ist ein Kernwert unseres Unternehmens. Unsere Muttergesellschaft, die POST Group Luxembourg, veröffentlicht bereits seit Jahren freiwillig ESG-Berichte. Wir messen regelmäßig unseren CO₂-Fußabdruck und arbeiten täglich daran, die ökologischen und sozialen Auswirkungen unserer Geschäftstätigkeit zu verringern.

Joaneos V-TAG 36 NFC-Inlay mit Product Circularity Data Sheet (PCDS), zertifiziert nach ISO 59040

Joaneos V-TAG 36 NFC-Inlay mit Product Circularity Data Sheet (PCDS), zertifiziert nach ISO 59040 – ein Beispiel für Transparenz und Recyclingfähigkeit im Hinblick auf die Anforderungen des Digital Product Passport. (Bild: Joaneo)

Wie reagieren Ihre Kunden auf diese Entscheidung?

Joachim Priem: Sehr positiv. Bestehende und neue Kunden haben konkrete Nachweise für Nachhaltigkeit gefordert. Dazu gehören unter anderem der Ausschluss von Tierversuchen, die Sicherstellung, dass unsere Produkte keine gefährlichen Substanzen enthalten, sowie ein Recyclingzertifikat.

Hersteller von Etiketten und Verpackungen, die Karton- oder Papierverpackungen produzieren, können unsere Inlays problemlos mit bestehenden Prozessen recyceln. Das ist ein großer Vorteil und wird künftig noch wichtiger werden, da der Digital Product Passport Anforderungen an die Recyclingfähigkeit stellt.

Mit der Kreislaufwirtschaftsanalyse können wir unseren Kunden klare und verlässliche Informationen über die Umweltauswirkungen unserer Produkte, ihre Materialzusammensetzung, ihre Langlebigkeit und ihre Rückverfolgbarkeit zur Verfügung stellen.

Warum hat sich Joaneo für den ISO-59040-Standard entschieden?

Joachim Priem: ISO 59040:2025 ist eine neue Initiative, die es erst seit Februar 2025 gibt. Ziel ist es, Daten zu zirkulären Produkten zu standardisieren und so mehr Transparenz zu schaffen. Der Standard ist Teil der ISO-59000-Normenfamilie zur Kreislaufwirtschaft, die Terminologie, Grundprinzipien und Leitlinien für die Umsetzung definiert.

Der Standard liefert klare, überprüfbare und standardisierte Informationen darüber, wie ein Produkt entwickelt und hergestellt wird – und das über seinen gesamten Lebenszyklus hinweg. Er beinhaltet eine Dokumentvorlage und ein Framework für die Erstellung von Product Circularity Datasheets (PCDS), die von Terra Matters gemäß ISO 59040 entwickelt wurden.

Das erleichtert Unternehmen die Analyse und Berichterstattung erheblich – einen vergleichbaren Standard gab es bislang nicht. Genau deshalb haben wir uns für diesen Standard entschieden. Bislang führen wir die Analyse intern durch, künftig wird sie jedoch extern geprüft, da ein offizielles Zertifizierungsprogramm derzeit vorbereitet wird.

Interessant ist auch, dass ISO 59040 auf Initiative der luxemburgischen Regierung ins Leben gerufen wurde. Es ist ein Werkzeug für den globalen Bedarf an klaren, transparenten und standardisierten Informationen zur Kreislaufwirtschaft. Der Standard ist international ausgerichtet und gleichzeitig der erste ISO-Standard, der aus Luxemburg stammt. Joaneo gehört zu den ersten Unternehmen weltweit, die diesen Standard umgesetzt haben – und unser V-TAG 36 Inlay ist das erste RFID-Inlay, das mit einem ISO-59040-konformen PCDS ausgestattet ist.

Joachim Priem
Joachim Priem Business Development Manager, Joaneo

Wie wurde die Analyse konkret durchgeführt? Welche Lebenszyklusphasen wurden berücksichtigt?

Joachim Priem: Zunächst möchte ich erklären, dass das PCDS alle Phasen des Produktlebenszyklus abdeckt. Nur so lässt sich eine konsistente und vollständige Aussage über den strukturierten Datenaustausch für die Kreislaufwirtschaft treffen.

Es beginnt bei den verwendeten Materialien, geht über Design und Produktion bis hin zur Nutzungsphase und dem End-of-Life. Konkret werden Aspekte wie Materialeinsatz, recyclingfähige Produktion, Langlebigkeit und verlängerte Nutzungsdauer, Recyclingfähigkeit am Ende der Produktlebensdauer sowie die daraus resultierenden ökologischen Vorteile betrachtet.

In unserer Produktanalyse haben wir diese Anforderungen berücksichtigt und unter anderem untersucht:

  • die Beschaffung von Papier und Tinte,
  • den möglichen Einsatz von Gefahrstoffen,
  • die Energiequellen, die während der Produktion verwendet werden,
  • den gesamten Herstellungsprozess,
  • sowie die Recyclingfähigkeit und Wiederverwendbarkeit unserer Inlays.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse der Analyse?

Joachim Priem: Die Ergebnisse der Analyse waren insgesamt sehr positiv. Es gab keine Überraschungen oder kritischen Punkte – vielmehr hat die Untersuchung bestätigt, dass wir mit unseren Inlays in Bezug auf Materialeinsatz, Umweltverträglichkeit und Recyclingfähigkeit auf dem richtigen Weg sind.

Beim Materialeinsatz setzen wir von Anfang an auf nachhaltige Lösungen. Unser Basismaterial ist Papier aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Wäldern, das weltweit PEFC-zertifiziert ist. Auch die von uns verwendete Silberleitpaste entspricht den RoHS-Anforderungen und enthält keine gefährlichen Stoffe.

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Energieversorgung unserer Produktion. Sämtliche Joaneo-Büros und Produktionsstätten werden mit regionalem Ökostrom aus Solar-, Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse versorgt – geliefert von Nova Naturstroum (Enovos). Für uns ist dies ein entscheidender Beitrag zur Kreislaufwirtschaft, bereits ab der Herstellungsphase.

Besonders interessant war das Ende der Nutzungsdauer unserer Produkte. Unsere Inlays sind so konzipiert, dass sie vollständig recycelbar sind. Zwischen 75 und 95 Prozent der Materialien können ohne Qualitätsverlust wiederverwertet werden. Die Silberpartikel der Tinte lassen sich unverändert zurückgewinnen und erneut verwenden. Das Papier kann zu Recyclingpapier verarbeitet werden – und das in einem Markt mit gut ausgebauter Infrastruktur. Laut dem European Paper Recycling Council (2024) werden in Europa bereits 75 Prozent des Papiers recycelt – ein klarer Vorteil für unsere Produkte.

Wir haben auch Faktoren berücksichtigt, die nicht direkt Teil des PCDS sind, aber eine Rolle für die Nachhaltigkeit spielen. Unser additives Druckverfahren kommt ohne Chemikalien und Ätzprozesse aus – die Tinte wird nur dort aufgetragen, wo sie tatsächlich benötigt wird. Außerdem beziehen wir Materialien lokal von europäischen Partnern und Lieferanten, um den CO₂-Fußabdruck unserer Inlays weiter zu reduzieren.

RFID-Inlays sind zu einem kostengünstigen Massenprodukt geworden. Ihre Gesamtkosten und der ROI werden häufig berechnet, ohne den Einfluss auf die Umwelt im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft zu berücksichtigen. Wir möchten diesen wichtigen Aspekt ansprechen und eine Alternative anbieten, die zur ESG-Verantwortung beiträgt.

Joachim Priem
Joachim Priem Business Development Manager, Joaneo

Gab es kritische Ergebnisse?

Joachim Priem: Nein, es gab keine kritischen Ergebnisse, aber die Studie hat einige Punkte aufgezeigt. Eine wichtige Erkenntnis der Analyse war für uns die Recyclingfähigkeit unserer mit Silber bedruckten Inlays auf einem PEFC-zertifizierten Papierträger. Obwohl viele Produkte grundsätzlich recycelbar sind, lassen sich ihre Komponenten oft nicht so extrahieren, dass sie für denselben Zweck wiederverwendet werden können. 

Stattdessen werden sie häufig auf minderwertige Qualitätsstufen herabgestuft oder in Produkten eingesetzt, die selbst nur schwer recycelbar sind. Ein typisches Beispiel sind zerkleinerte PET-Flaschen, die in Mischkunststoff-Möbeln oder Dämmstoffen enden.

Im Rahmen des PCDS (und der ISO-59000-Normenfamilie) bedeutet „recycelbar“, dass ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus durch Maßnahmen, die auf die Rückgewinnung wiederverwendbarer Ressourcen abzielen, in neue Prozesse oder Produkte zurückgeführt werden kann – mit Ausnahme der energetischen Verwertung. Dazu gehören Schritte wie Rückgewinnung, Sammlung, Transport, Sortierung, Reinigung und Aufbereitung. Recycling muss klar von Wiederverwendung unterschieden werden.

Ein großer Vorteil besteht darin, dass die Silberpartikel in unseren RFID-Antennen während des Recyclingprozesses tatsächlich extrahiert und zurückgewonnen werden können. Auch alle Rückstände aus unserer Druckproduktion – also überschüssige Silberleitpaste – lassen sich ohne Qualitätsverlust des Edelmetalls (Ag) zurückgewinnen und für denselben Zweck erneut einsetzen.

Dr. Syaiful Mohd RFID Field Engineer, Joaneo

Wird Joaneo die Studie weiter ausbauen?

Joachim Priem: Wir werden die Studie regelmäßig aktualisieren. Sollten Informationen fehlen oder unvollständig sein, kann das Dokument jederzeit erweitert werden. Außerdem möchten wir das PCDS auf weitere Produkte ausdehnen. Dies wird dann für andere Papier-Inlays, PET-Inlays und Inlays auf Basis von synthetischem Papier gelten. Unsere beiden neuen, papierbasierten UHF-Inlays, die im September 2025 auf den Markt kommen, werden ebenfalls jeweils ein eigenes PCDS erhalten.

Nun wird die Studie an die Medien verteilt und allen Kunden kommuniziert, richtig?

Joachim Priem: Wir verbreiten die Ergebnisse derzeit gezielt und richten uns dabei an unterschiedliche Zielgruppen.

Für unsere Kunden steht die Transparenz der Informationen im Mittelpunkt. Sie müssen nachvollziehen können, welche Recyclingprozesse tatsächlich umsetzbar sind – nur so können sie eine fundierte Entscheidung beim Kauf unserer Produkte treffen.

In unserem Partnernetzwerk liegt der Fokus auf Kooperationsmöglichkeiten. Ziel ist es, gemeinsam an Lösungen zu arbeiten und das Design recycelbarer Produkte kontinuierlich zu verbessern.

Schließlich gibt es als dritte Zielgruppe die breite Öffentlichkeit. Hier wollen wir ein Bewusstsein für verantwortungsvollen Konsum schaffen und zeigen, dass auch Hightech-Produkte recycelbar und nachhaltig sein können.

Terra Matters und ISO 59040

  • Gründung: 2022 auf Initiative der luxemburgischen Regierung durch das Ministry of the Economy und die Chamber of Commerce gegründet.
  • Ziel ab Februar 2025: Mit der Veröffentlichung des PCDS im Rahmen der ISO 59040 wird Terra Matters die ISO-Norm praxisnah interpretieren und in ein verständliches, konformes Werkzeug für die globale Anwendung übersetzen.
  • Zugänglichkeit: Der Standard soll leicht verständlich und für alle Unternehmen, einschließlich KMU, zugänglich sein.
  • Unterstützung für Unternehmen: Terra Matters unterstützt Unternehmen beim Verstehen und Umsetzen der notwendigen Compliance-Maßnahmen.
  • PCDS-Vorlage & Tool: Entwicklung einer standardisierten PCDS-Vorlage und eines Online-Tools, mit dem Unternehmen eigene PCDS-Dokumente erstellen können.
  • Zertifizierungsprogramm: Zusammenarbeit mit Zertifizierungsstellen zur Entwicklung eines offiziellen Zertifizierungsprogramms, das die Verifizierung der PCDS, das Anfordern von Nachweisen und die Vergabe eines offiziellen Zertifizierungsstempels ermöglicht.
  • Zukünftige Erweiterung für Einkäufer: Die Plattform könnte erweitert werden, damit Einkäufer PCDS von Lieferanten anfordern und vergleichen können, um Beschaffungsprozesse zu vereinfachen.

Produkte ohne Daten werden wertlos. Durch das Teilen einfacher, standardisierter Daten über das PCDS können Unternehmen die zirkulären Eigenschaften ihrer Produkte transparent machen – in einer Welt, in der Nachhaltigkeit immer wichtiger wird und zunehmend hinterfragt wird.

Digitaler Produktpass EU (DPP)

Der Digitale Produktpass ist ein standardisierter Datensatz, der während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts transparente Informationen zu Materialien, Herkunft, Nutzung und Recycling bereitstellt und so Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeitsziele unterstützt.

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