Von Anja Van Bocxlaer, Chefredakteurin, Think WIoT
Du warst über 20 Jahre bei einem RFID-Hersteller beschäftigt. Warum wolltest Du unter eigener Flagge noch einmal die Segel neu setzen?
Ich bin 2005 zur iDTRONIC GmbH gestoßen und habe fast 20 Jahre meines Lebens dort verbracht – mit allen Höhen und Tiefen. Es hat mir immer Spaß gemacht, dort zu arbeiten, und ich konnte sehr viel lernen. Das Know-how, das ich mir bei iDTRONIC angeeignet habe, ist die Grundlage für meinen heutigen Weg.
Irgendwann war jedoch der Zeitpunkt für mich gekommen, eine neue Herausforderung anzunehmen und Dinge auch einmal anders zu machen, als ich es bei iDTRONIC kennengelernt hatte. Dort habe ich vor allem die Sichtweise eines Herstellers kennengelernt – mit all ihren Vorteilen, aber auch mit einigen Nachteilen.
Mit der IDCRAFT sind wir als unabhängiger Distributor deutlich flexibler aufgestellt. Dadurch können wir in vielen Projekten agiler agieren und unseren Kunden andere Perspektiven und Lösungen anbieten.
Welche Ziele verfolgst Du mit IDCRAFT?
IDCRAFT ist ein Hardware-Distributor für RFID-Produkte. Unser Ziel ist es, Systemintegratoren und Resellern nicht nur hochwertige Produkte zu liefern, sondern sie auch mit unserer Fachkenntnis zu unterstützen.
In meiner langjährigen Erfahrung in der RFID-Branche habe ich oft erlebt, dass RFID zwar eingesetzt wird, jedoch selten zum Kerngeschäft unserer Kunden gehört. Dadurch entsteht häufig ein Halbwissen, das wiederum dazu führt, dass Anwendungen nicht optimal funktionieren. Genau hier setzen wir an – wir begleiten unsere Kunden mit Know-how und praxisnaher Beratung, damit ihre Projekte zuverlässig umgesetzt werden und sie den vollen Nutzen aus RFID-Technologie ziehen können.
Würdest Du sagen, dass Ihr nur ein Distributor seid oder ein Distributor mit IT-Services?
Ich bezeichne uns gerne als Value-Added-Distributor. Wir verkaufen nicht nur Hardware im klassischen Sinne, also reines „Kistenschieben“, sondern bieten unseren Kunden einen echten Mehrwert.
Einerseits leiten wir Endkundenanfragen, die bei uns eingehen, an unsere Partner, also Systemintegratoren, weiter. Andererseits begleiten wir unsere Kunden auf Wunsch auch direkt zu deren Endkunden. Wir unterstützen bei Proof-of-Concepts, zeigen Einsatzmöglichkeiten auf und erklären die Lösungen anhand konkreter Anwendungsfälle. So schaffen wir einen klaren praktischen Mehrwert.
Darüber hinaus entwickeln wir gemeinsam mit unseren Partnern und Lieferanten kundenspezifische Hardware- und Softwarelösungen. Dadurch können wir individuelle Anforderungen gezielt umsetzen und perfekt auf den jeweiligen Use Case abgestimmte Lösungen anbieten.
Wie sieht Eure kurzfristige Strategie für den Aufbau von IDCRAFT aus?
Unser kurzfristiges Ziel ist der Aufbau eines starken Ökosystems aus Partnern, mit denen wir gemeinsam Projekte realisieren können. Dabei geht es uns nicht nur darum, Anfragen von Systemintegratoren zu bedienen, sondern darum, direkt von Endkunden wahrgenommen zu werden.
Diese Anfragen wollen wir gezielt innerhalb des Partnernetzwerks weitergeben – an diejenigen, die auf die jeweilige Anwendung spezialisiert sind. So kann IDCRAFT die passende Hardware bereitstellen, während unsere Partner die Anwendung beim Kunden implementieren. So erhält der Kunde am Ende die bestmögliche Betreuung und eine optimal auf seine Anforderungen zugeschnittene Lösung.
Was unterscheidet IDCRAFT von einem reinen Box-Mover?
Wir bieten unseren Kunden lösungsorientiert die passende Hardware an. Es geht uns nicht darum, um jeden Preis die teuerste Lösung oder die größte Stückzahl zu verkaufen. Unser Anspruch ist es, für jede Anwendung die beste Hardware zu empfehlen – ehrlich und praxisnah.
Zu unserer Hardware liefern wir selbstverständlich Dokumentationen und Entwicklungskits mit passender Software. Darüber hinaus bieten wir klassische Services an: von Wartungsverträgen und Reparaturen bis hin zu Vor-Ort-Einsätzen, bei denen wir im Rahmen eines Proof of Concept mit dem Kunden zusammenarbeiten. Das geht bis in den Bereich Consulting, also bezahlte Beratung, wenn wir mehrere Tage vor Ort sind.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf kundenspezifischen Lösungen. Wenn ein Kunde beispielsweise einen Reader mit Modbus-TCP-Schnittstelle in einem IP68-Gehäuse benötigt, setzen wir das gemeinsam mit unseren Partnern um. So stellen wir sicher, dass unsere Kunden nicht nur Produkte, sondern auch maßgeschneiderte Lösungen für ihre Projekte erhalten.
Wir wollen ein Distributor sein, der Beratung und Know-how einbringt – und nicht, wie manche Mitbewerber, nur als reiner ‚Box Mover‘ agieren.

Wie läuft der Aufbau des Partnernetzwerks?
Mein Ziel ist es, ein starkes Partnernetzwerk aufzubauen. Wir wollen unseren Kunden nicht nur eine große Produktpalette bieten, sondern auch die passende Beratung. Wer unseren Namen hört, soll sofort wissen: Hier finde ich Produkte und Expertise für Automation und Digitalisierung – egal, ob ich Integrator, IT-Haus oder Endanwender bin.
Gerade Elektroniken oder OEM-Reader sind sehr beratungsintensiv. Wenn beispielsweise ein RFID-Reader mit einer Industrieschnittstelle in eine Maschine integriert werden soll, ist eine fundierte Beratung unerlässlich. Wir oder unsere Partner müssen genau verstehen, wo und wie das Produkt eingesetzt wird. Nur so können wir sagen: „Ja, das ist die richtige Lösung“ – oder auch: „Probieren Sie besser diese Variante.“
Das Gleiche gilt für industrielle Produkte allgemein. Ohne persönliche Beratung lassen sich Anwendungen nur schwer erfolgreich umsetzen.
Unser langfristiges Ziel ist es, innerhalb der nächsten zehn Jahre Marktführer im Bereich der Distribution von RFID-Hardware im deutschsprachigen Raum und darüber hinaus in Europa zu werden. Wir wollen die erste Anlaufstelle sein, wenn es darum geht, die passende RFID-Hardware zu finden.

Decken Eure Partner Deiner Meinung nach schon alle wichtigen Produkte ab – oder siehst Du noch Lücken im Portfolio?
Derzeit bestehen noch einige Lücken, aber die meisten Anwendungen sind bereits abgedeckt. Das wird sich in naher Zukunft ändern. Die wichtigsten klassischen Bereiche wie Zutrittskontrolle, Single Sign-On, Logistik und Industrie können wir bereits gut bedienen.
Was uns aktuell noch fehlt, sind Produkte mit speziellen Schnittstellen wie CAN-Bus, Profibus oder IO-Link. Hierzu führen wir bereits Gespräche mit Partnern, die wir im Laufe des Jahres in unser Netzwerk aufnehmen werden. Auch auf der WIoT tomorrow werden wir mit potenziellen Partnern sprechen.
Welche Produkte und Technologien stehen bei euch im Fokus?
Derzeit fokussieren wir uns klar auf die RFID-Technologie. Das heißt jedoch nicht, dass wir in Zukunft keine Barcode-Scanner oder andere IoT-Hardware aufnehmen würden. Aktuell liegt unser Schwerpunkt jedoch auf RFID-Hardware.
Dabei setzen wir den Hauptfokus auf HF, NFC und UHF. Wir beobachten, dass Low-Frequency-Technologien (125 kHz) nur noch in wenigen Bereichen relevant sind, beispielsweise im Abfallmanagement und in der Tieridentifizierung. In diesen Bereichen finden kaum neue Produktentwicklungen statt. Die Zukunft liegt unserer Einschätzung nach in HF, NFC und UHF, idealerweise in einer Kombination dieser Technologien.
Genau das fehlt uns aktuell in der Branche: Oft wird entweder auf die „klassische“ RFID-Technologie gesetzt oder der Fokus liegt stark auf NFC. Stattdessen wäre mehr Kooperation sinnvoll, etwa zwischen der RAIN-Allianz (RAIN RFID) und dem NFC-Forum, die beide über Themen wie den Digital Product Passport diskutieren, jedoch meist nicht gemeinsam. Hier wollen wir als IDCRAFT auch ein Zeichen setzen. Wir zeigen, dass RFID und NFC sinnvoll zusammenarbeiten können und dass sich dadurch neue, zukunftsweisende Lösungen ergeben.
Wie siehst Du das Zusammenspiel von HF, NFC und UHF?
Ich sehe die Technologien NFC und RAIN RFID nicht als Gegensätze, sondern als Ergänzung zueinander. Bei NFC sprechen wir von HF-RFID (13,56 MHz), bei RAIN RFID von UHF-RFID (868 MHz in Europa). Beide Technologien können sich in bestimmten Anwendungen hervorragend ergänzen.
Fraglich finde ich allerdings, ob UHF tatsächlich in ein Consumer-Smartphone integriert werden muss. Welchen Mehrwert bringt das? Aus meiner Sicht kaum einen. Alles, was Anwender beispielsweise im Kontext des Digital Product Passports benötigen, lässt sich mit NFC abbilden. Dafür ist keine Lesereichweite von 30 Zentimetern nötig.
Für Konsumenten ist NFC sogar die bessere Lösung, da es deutlich stärker geschützt ist. Zudem müssten Smartphone-Hersteller eine weitere Antenne integrieren, zusätzlich zu den bereits vorhandenen für WLAN, Bluetooth, NFC und 5G. Das zeigt, dass es eher darum geht, UHF-Transponderchips auf dem Markt zu etablieren, als dass ein echter Bedarf dafür besteht.
Werdet Ihr auch einen Onlineshop aufbauen?
Nein, aktuell planen wir keinen eigenen Onlineshop. Der Grund ist simpel: Unsere Produkte sind beratungsintensiv und in dieser Branche sollte der Preis nicht im Vordergrund stehen. Ein Shop mit sichtbaren Listenpreisen würde bei Endkunden schnell falsche Erwartungen wecken, beispielsweise, dass hohe Rabatte von 30, 40 oder gar 50 Prozent möglich wären. Das entspricht jedoch nicht der Realität und bringt aus unserer Sicht keinen Mehrwert.
Wir arbeiten jedoch daran, einzelne Produkte über Partner in Großhandelsportalen zu platzieren. Dort werden allerdings vor allem die einfacheren Produkte gelistet sein, die sich ohne großen Beratungsaufwand verkaufen lassen. In unserer Branche muss man klar unterscheiden: Einige Kategorien sind unkompliziert, andere dagegen hoch komplex. Gerade Elektroniken oder OEM-Reader sind sehr beratungsintensiv.
Es bringt nichts, wenn sie einfach in einem Onlineshop verfügbar wären, zumal oft unklar bleibt, wer die Produkte kauft und wie sie eingesetzt werden. Ähnlich verhält es sich mit industriellen Produkten. Hier ist persönliche Beratung entscheidend, um Anwendungen erfolgreich umzusetzen.